Die Feuer von Troia
die vielen schönen Pferde, die wir ihm dank Odysseus vor ein paar Tagen geopfert haben.«
»Ich bete darum, daß die Wunde ihn nicht beim Kämpfen behindert.« Helena seufzte. »Wenn er den Angriff überlebt und zurückkommt, werde ich die Wunde von den besten Heilern behandeln lassen.«
»lch werde unseren besten Heilpriester schicken, Herrin Helena«, sagte Khryse und machte sich auf den Rückweg zum Tempel. Kassandra beobachtete die Schlacht. Paris kämpfte wie ein Rasender, als sei der Kriegsgott in ihn gefahren. Sie konnte nicht mehr zählen, wie viele Achaier er niedermachte und blutend auf der Erde liegen ließ.
»So habe ich ihn noch nie kämpfen sehen«, murmelte Helena.
Bete, daß er nie mehr so kämpfen muß , dachte Kassandra.
»Vielleicht ist es doch eine leichte Wunde, wie er behauptet. Er, schont den Arm nicht im geringsten.«
»Er kämpft wie Hektor«, sagte Priamos. »Wir haben ihm alle Unrecht getan, als wir ihn für weniger tapfer hielten.«
Helena schloß die Augen, als ein Schwert auf Paris niedersauste, aber er parierte den Schlag, als es so aussah, als würde man ihm den Kopf abhauen. Es war der letzte Hieb. Agamemnons Männer ergriffen kurz darauf die Flucht und rannten, als wollten sie erst bei ihren Schiffen stehenbleiben. Paris trieb seine Männer zur Verfolgung an, als habe er vor, die Feinde ins Meer zu treiben. Aber dann gebot er Einhalt und zog sich zurück.
»Wir werden für die Männer zum Abendessen einen Ochsen schlachten, wenn wir noch einen haben«, sagte Hekabe, als Paris die Treppe heraufkam. »Eine solche Schlacht habe ich noch nicht erlebt.«
Helena umarmte ihn. »Danke Aphrodite, daß du noch am Leben bist.«
»Ja, SIE wacht noch über uns. SIE hat dich nicht nach Troia geführt, um uns jetzt im Stich zu lassen.« Paris blickte auf das verkohlte Gebilde, das die Achaier hatten bauen wollen.
»Wenn es einem Gott geweiht war, bete ich darum, ER möge mir vergeben. Wenn du jetzt einen Heiler kommen läßt, Helena, werde ich seine Dienste gern in Anpruch nehmen. Der Arm schmerzt.« Auf dem Weg in den Palast stützte er sich auf Helena, und Kassandra sah ihnen angstvoll nach.
»Du solltest das übernehmen«, sagte Khryse. Sie hatte ihn nicht kommen hören. »Es gibt im Tempel keine besseren Heiler als dich. « Kassandra war sich dessen nicht so sicher, aber sie wußte nicht, wie sie ihm das sagen sollte. »Du hast die Wunde besser gesehen als ich, und du weißt, wie gefährlich so etwas werden kann«, fügte er hinzu. »Gerade wenn solche Wunden harmlos aussehen, gefallen sie mir ganz und gar nicht.« Kassandra eilte in den Palast, wo man ihr erklärte, ihre Dienste seien nicht erforderlich.
In der Nacht blieb alles ruhig. Aber am nächsten Morgen begannen die Achaier zu hämmern und zu sägen, als seien sie nie gestört worden.
»Nun, wir machen kurzen Prozeß mit ihnen, wie gestern«, erklärte Deiphobos, der an diesem Morgen mit Priamos auf der Mauer erschien. Der alte König stützte sich schwer auf den Arm seines Sohnes. »Wo ist Aphrodites Geschenk an die Frauen heute morgen? Versteckt Paris sich noch hinter Helenas weiten Röcken?«
»Sei still«, unterbrach ihn Priamos scharf. »Er ist gestern verwundet worden. Vielleicht hat sich die Wunde entzündet, und es geht ihm schlechter.« Er winkte einen jungen Boten herbei und sagte: »Lauf zu Prinz Paris und erkundige dich, weshalb er nicht bei den Truppen ist.«
»Eine Wunde«, sagte Deiphobos verächtlich. »Ich habe diese Wunde gesehen. Ein Kratzer, wahrscheinlich sogar ein Liebesbiß.« Der Bote eilte davon und kam bald bleich zurück. Er verbeugte sich vor Priamos und sagte: »Mein König, die Herrin Helena bittet darum, daß die Priesterin Kassandra sich die Wunde ihres Bruders ansieht. Die Herrin Helena kann ihm nicht mehr helfen.«
»Vater«, sagte Deiphobos, »habe ich deine Erlaubnis, mit den Streitwagen hinauszufahren und diese Ameisen zu vertreiben, wie Paris es gestern getan hat?«
»Geh«, sagte Priamos. »Aber wenn Paris gesund ist, übergibst du ihm wieder den Oberbefehl. Was ihm gehört, wird nie dein sein.« »Wir werden ja sehen«, sagte Deiphobos, salutierte vor Priamos und ging.
Kassandra lief zum Palast hinauf. Die Hallen wirkten an diesem Morgen kalt, feucht und seltsam still; der Nebel vom Meer hing noch in der Luft. Paris lag halb bekleidet und blaß auf einer Bahre in seinem Gemach und murmelte vor sich hin. Helena wusch die Wunde mit heißem, nach Kräutern duftendem Wasser.
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