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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ein geschlossenen Augenlid hoch. Kein Funken Leben regte sich in ihm. Über den Augen lag bereits ein trüber Schleier. Sie wußte, sie sollte in Hekabes Klage einstimmen. Aber sie seufzte nur und ließ die Hand des Königs fallen.
    »Tut mir leid, Mutter, aber er ist tot. «
    Hekabe setzte ihr Klagegeschrei fort, aber Kassandra drängte: »Mutter, dazu ist keine Zeit. Die Achaier sind in der Stadt. «
    »Aber wie ist das möglich?« fragte Hekabe.
    »Die Stadtmauer ist bei dem Erdbeben eingestürzt«, berichtete Kassandra und fragte sich, ob sie denn alle den Verstand verloren und nichts gehört oder gesehen hatten. »Die Achaier ziehen bereits plündernd durch die Straßen. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie hier sind. Wo ist Deiphobos?«
    »Tot«, sagte Helena. »Wir hörten Mutter schreien, Vater sei ohnmächtig geworden, liefen in sein Gemach, und Deiphobos trug ihn sofort in den Hof, als das schreckliche Beben begann. Deiphobos rannte zurück, um seine Mutter zu suchen. Der Boden unter ihm gab plötzlich nach. Ich glaube, auch das Dach ist teilweise eingestürzt. Dann kam Andromache mit Astyanax heraus. «
    »Wir sechs leben also«, sagte Kassandra. »Aber wir müssen uns irgendwo verstecken, sonst fallen wir den Soldaten in die Hände. Ich weiß zwar nicht, was die Achaier mit ihren Gefangenen machen, aber ich möchte es auch nicht gerne erleben.«
    »Oh, Helena hat nichts zu befürchten. « Andromache warf Helena einen bösen Blick zu. »Ich bin sicher, ihr Gemahl wird bald hier sein und sie zurückholen. Er wird sie mit allem Schmuck Troias überhäufen und im Triumph nach Hause führen. Welch ein Glück, daß Deiphobos rechtzeitig umgekommen ist - obwohl, ihr wäre es ohnehin gleichgültig.«
    Kassandra fand diese Gehässigkeit abstoßend.
    »Wir haben keine Zeit, uns zu streiten, Schwestern. Wir sollten uns freuen, daß eine von uns die Gefangenschaft nicht fürchten muß. Wollen wir uns in den Tempel der Jungfrau flüchten? Ich habe die Priesterinnen des Sonnengottes hinauf geschickt, und ich bin sicher, der Tempel ist unversehrt.« Sie legte den Arm um Hekabe: »Komm, gehen wir.«
    »Nein, ich bleibe bei meinem Gemahl und König«, erklärte die alte Frau hartnäckig und kniete wieder neben die Leiche.
    »Mutter, glaubst du wirklich, Vater möchte, daß du hierbleibst und von einem Achaier gefangengenommen wirst?« fragte Kassandra. »Er war bis zu seinem Tod ein Krieger, und ich lasse ihn nicht im Stich, nachdem er gefallen ist«, erklärte Hekabe unbeeindruckt. »Du bist eine junge Frau. Geh und suche irgendwo Schutz, wo sie dich nicht finden werden - wenn es in Troia noch einen solchen Platz gibt. Ich bleibe bei meinem König. Helena wird bei mir bleiben. Selbst die Achaier werden die Königin von Troia achten. Wir sind von einem Gott besiegt worden, nicht von ihnen.«
    Kassandra wünschte, das auch nur teilweise glauben zu können. Von ferne hörten sie schon das Lärmen und Schreien der Soldaten. Astyanax versuchte, sich aus Andromaches Armen freizumachen. Aber seine Mutter ließ ihn nicht los.
    »Verstecken wir uns in einem der Häuser der Armen. Dort werden sie nicht suchen, denn dort gibt es nichts zu plündern«, schlug Andromache vor. Kassandra schüttelte den Kopf.
    »Ich gehe zum Tempel der Jungfrau. Wenn unsere Götter uns verlassen haben, wird vielleicht wenigstens die Göttin uns beschützen. «
    »Wie du willst«, murmelte Andromache. »Ich glaube nicht mehr an die Unsterblichen. Leb wohl und viel Glück. «
    Kassandra erreichte atemlos den Tempel der Jungfrau hoch über Troia. Die Statue im Vorhof war unbeschädigt. Aus dem Heiligtum hörte sie die Gesänge der Priesterinnen. Sie war erleichtert. Bestimmt würde kein Mann, noch nicht einmal ein Achaier, es wagen, eine Frau anzurühren, die bei der Göttin Schutz suchte.
    Sie wollte gerade zu den anderen hineingehen, als jemand triumphierend in der barbarischen Sprache der Achaier rief: »Aha, da ist sie!« Zwei Krieger stürmten über den Hof.
    »Ich habe mich schon gewundert, wohin die Frauen alle verschwunden sind«, rief der andere.
    »Mit der da bin ich zufrieden. Es ist die Prinzessin, die Tochter des Priamos. Sie ist eine Seherin und eine Jungfrau des Apollon. Aber wenn Apollon SEINE Jungfrauen hätte schützen wollen, hätte ER es getan. Da drinnen sind bestimmt noch mehr.«
    »Ja«, erwiderte der andere, »ich hoffe, es sind auch ein paar junge dabei. Wenn die meisten finden, sie sind groß genug, sind sie für meinen

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