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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Räumen und freute sich kindlich, als Hekabe Frauen zu ihrer Bedienung schickte. 
    »Du darfst dich nicht überanstrengen, sonst nimmt mein Enkelsohn Schaden«, erklärte Hekabe unverblümt, als Oenone nach Worten suchte, um sich bei ihr zu bedanken. Auch Andromache behandelte Oenone freundlich - aber sie bedachte sie nicht mit besonderer Aufmerksamkeit. Anfangs verbrachte Kassandra viel Zeit mit den beiden Frauen. Ihre Gefühle verwirrten sie. Andromache gehörte jetzt zu Hektor und Oenone zu Paris. Sie hatte keine engen Freundinnen, und obwohl Priamos beinahe jeden Tag von der Notwendigkeit sprach, einen Mann für sie zu finden, war sie nicht sicher, daß sie das wollte, oder was sie sagen würde, wenn Priamos sie fragte - was er vermutlich nicht tun würde.
    Sie verstand nicht, weshalb Oenones Anwesenheit sie so beschäftigte; sie vermutete, es lag daran, daß sie die Gefühle von Paris geteilt hatte (aber wenn Paris soviel für Oenone empfand, wieso hatte er sie dann so bereitwillig verlassen?), als er sie zu seiner Frau machte. Kassandra spürte das starke Verlangen, Oenone zu liebkosen und zu trösten, zog sich aber gleichzeitig von ihr zurück, denn selbst die unbekümmerten zwischen jungen Mädchen üblichen Umarmungen machten sie verlegen.
    Verwirrt und verängstigt begann sie, Oenone zu meiden. Das bedeutete, daß sie auch Andromache mied, denn die beiden jungen Ehefrauen verbrachten jetzt viele Stunden zusammen, sprachen über die Kinder, die sie erwarteten, und webten Kinderkleidchen. Dieser Art Zeitvertreib konnte Kassandra überhaupt nichts abgewinnen. Ihre Schwester Polyxena - nie eine Freundin - war noch nicht verheiratet, obwohl Priamos für sie um die bestmögliche Verbindung feilschte, dachte beinahe nur daran und sprach kaum von etwas anderem.
    Kassandra glaubte, wenn Paris zurückkehre, werde sie möglicherweise nicht mehr so stark in Oenones Bann stehen. Aber sie hatte keine Ahnung, wann das sein würde. Wenn sie auf dem hohen Dach des Palastes allein unter den Sternen stand, suchte sie in Gedanken ihren Zwillingsbruder, fand aber nie mehr als frische Meereswinde und einen berauschenden Blick in die tiefe Dunkelheit des Wassers, das so klar war, daß sie die Kieselsteine auf dem Meeresgrund sah.
    Eines Tages wartete sie ab, bis Priamos guter Laune war. Dann ging sie zu ihm und fragte ihn ganz in Polyxenas kindlich verspielter Art leise: »Bitte sag mir, Vater, wie weit fährt Paris, und wie lange wird die Rückfahrt dauern?«
    Priamos lächelte nachsichtig und antwortete: »Paß auf, Kleine. Hier sind wir am Ufer der Meerenge. Wenn man zehn Tage nach Süden segelt, erreicht man eine Gruppe von Inseln, die von den Achaiern beherrscht werden. Wenn er vermeidet, hier auf einem Riff zu stranden«, er zeichnete mit dem Finger eine Küstenlinie, »kann er entweder weiter südlich nach Kreta segeln oder nach Nordwesten zum Festland der Athener und Mykenaier. Wenn die Winde gut sind und er nicht in einem Sturm Schiffbruch erleidet, könnte er noch vor Ende des Sommers zurückkehren. Aber er wird mit einem oder mehreren achaischen Königen, wie sie sich nennen, handeln und vielleicht eine Weile als ihr Gast bleiben. Sie sind neu im Land. Einige von ihnen sind erst zu Lebzeiten ihrer Väter gekommen. Ihre Städte sind jung, unsere Stadt ist alt. Du weißt doch, Tochter, es gab schon ein anderes Troia, ehe meine Vorväter unsere Stadt erbaut haben.
    »Ach ja …« Sie ließ ihre Stimme so weich und bewundernd klingen wie Polyxenas. 
    Er lächelte und erzählte ihr von der alten kretischen Stadt, die früher einmal nicht mehr als eine eintägige Fahrt mit dem Schiff im Süden an der Küste gelegen hatte. »ln dieser Stadt«, sagte er, »gab es große Lagerhäuser mit Wein und Öl, und man glaubt, daß die Stadt möglicherweise deshalb niederbrannte, als Poseidon, der große Erderschütterer, das Meer sich aufbäumen und die Erde erbeben ließ. Einen Tag und eine Nacht lang lag eine große Finsternis über der ganzen Welt bis weit in den Süden, bis nach Ägypten. Die schöne Insel Kallistos stürzte ins Meer. Dabei versank der Tempel der Schlangenmutter. Nur die Tempel von Zeus, dem Donnerer, und Apollon, dem Sonnengott, blieben verschont. Deshalb wird in den zivilisierten Ländern die Schlangenmutter jetzt weniger verehrt.«
    »Aber woher wissen wir, daß die Götter das Land erschüttert haben?« fragte Kassandra, »haben Sie Boten geschickt, um es uns zu sagen?«
    »Wir wissen es nicht«, erwiderte

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