Die Feuerbraut
die Luft aus dem Magen zu bekommen, und als es ihm besser ging, lenkte er seinen Schritt zu Wallensteins Quartier.
Die Doppelposten vor der Tür sahen kurz auf, lehnten sich dann aber wieder auf ihre Musketen und Piken. Sie kannten Gibichen als Freund des wachhabenden Leutnants Birkenfels und glaubten, er käme, um diesem zu helfen, die Nacht durchzustehen. Als Gibichen im Haus verschwunden war, schüttelte einer der Posten den Kopf.
»Die Herren Offiziere haben’s leicht. Die können sich hinsetzen, Karten spielen und sich dabei ein Viertel genehmigen. Wir hingegen stehen uns die Haxen in den Bauch, und wenn wir einschlafen, heißt’s gleich, die Gasse rauf und runter.«
»Da kannst du nix machen. Das Leben ist halt einmal so«, antwortete sein Kamerad.
Unterdessen hatte Gibichen den Vorraum durchquert und blickte auch in die anderen Kammern, doch von Fabian war nichts zu sehen. Verwundert schüttelte er den Kopf. Sein Freund hatte den Dienst stets ernster genommen als er, und daher konnte Gibichen nicht glauben, dass Fabian seinen Posten freiwillig verlassen hatte.
»Vielleicht ist er auf dem Abtritt!« In seinen Augen war dies die nächstliegende Erklärung. Gibichen wollte sich auf einen Stuhl setzen, als von oben ein Geräusch erklang, das ihn aufmerksamwerden ließ. So stöhnte nur eine Frau in höchster Lust. Zunächst rieb er sich verwundert über die Stirn, denn schließlich war das Haus während Wallensteins Abwesenheit fast leer.
»Wahrscheinlich hat Fabian sich eines der Dienstmädchen geangelt«, schloss Gibichen daraus, ohne Neid zu empfinden. Dann aber schüttelte er den Kopf. Die Schlafkammern des Personals lagen nicht im ersten Stock. War Fabian so verwegen, sich Wallensteins Bett zu bedienen? Dann fiel ihm ein, dass dessen Gemächer im hinteren Teil des Hauses auf den Hof zu lagen, da der Feldherr nicht vom Lärm der Straße behelligt werden wollte.
Ein Verdacht schlich sich in Gibichens Gedanken, der ihm zunächst allzu verrückt erschien. Jemand hatte ihm erzählt, die schöne Stephanie von Harlau habe hier in Pilsen bleiben müssen, weil ihre Gesellschafterin zu krank gewesen sei, Wallenstein begleiten zu können. Nun erinnerte er sich, wie oft sein Freund von der jungen Dame geschwärmt hatte. Wie es aussah, hatte Fabian die Initiative ergriffen und eine sturmreife Festung vorgefunden.
»Du bist ein Teufelskerl!«, sagte er grinsend, musste aber sofort an die Verwicklungen denken, in die sein Freund sich mit diesem Verhältnis verstrickte, und es lief ihm kalt den Rücken hinab. Er kannte Karl Joseph von Harlau und hätte sich diesen Mann nicht zum Feind machen wollen.
Gibichen kam nicht dazu, länger über seinen Freund und Harlau nachzudenken, denn er hörte einen Wagen auf das Haus zurollen. Der Schreck fuhr ihm so in die Glieder, dass er beim Aufspringen beinahe über die eigenen Füße gestolpert wäre.
Handelte es sich bei dem Insassen der Kutsche um Wallenstein, würde dieser auf schnellstem Weg hier hereinkommen und Fabian damit jede Möglichkeit nehmen, ungesehen herunterzukommen. Da der wachhabende Leutnant im ersten Stock nichts zu suchen hatte, würde seine Anwesenheit dort oben unangenehmeFragen nach sich ziehen und einen Skandal entfachen, der Fabians Karriere ein jähes Ende setzen musste.
Um den Freund zu retten, stürzte Gibichen ins Freie und atmete erst einmal auf, als er nicht Wallensteins Karosse vor sich sah, sondern eine kleine Reisekutsche, die von zwei bewaffneten Reitern eskortiert wurde. Ein derb aussehender Kutscher und dessen Gehilfe saßen auf dem Bock, während ein junger Mohr hinten aufgesessen war. Als die Kutsche anhielt, sprang der Bursche ab, brachte eine Trittstufe herbei und öffnete den Wagenschlag.
Ein weibliches Wesen stieg aus. Zuerst dachte Gibichen, es sei ein Kind, denn die Person reichte ihm nicht einmal bis zum Kinn. Als der Schein der vor dem Eingang des Hauses brennenden Laternen auf sie fiel, sah er, dass es sich um eine zierliche junge Dame handelte, deren Gesicht ihn sofort faszinierte. Er konnte nicht einmal sagen, ob es schön war, denn das Kinn war etwas spitz, die Nase klein, und auf den Wangen konnte er etliche Sommersprossen erkennen. Ihr Haar glänzte im Licht wie das Gefieder eines Raben, und ihre Augen hatten die Farben einer Haselnuss.
Er verbeugte sich etwas zu schwungvoll und brauchte Abdurs Hilfe, um auf den Beinen zu bleiben. Dann starrte er die Dame an, die ihn unsicher lächelnd anblickte. »Der Herr Offizier mag
Weitere Kostenlose Bücher