Die Feuerbraut
Angesprochene blies ärgerlich die Luft durch die Nase. »Bis ihr kommt, haben die mich längst einen Kopf kürzer gemacht.«
Er näherte sich Fabian und den Frauen so vorsichtig wie einem Rudel tollwütiger Hunde. Als der Schein seiner Fackel auf die völlig erschöpften, verdreckten Frauen und Kinder fiel, blieb erwie angewurzelt stehen und winkte heftig nach hinten. »Es sind wirklich nur arme Flüchtlinge. Kommt, Kameraden, wir müssen ihnen helfen!«
Der Offizier nahm einem der Soldaten die Fackel ab und eilte herbei. Trotz des Schmutzes, der auf den Kleidern und den Gesichtern der Frauen klebte, erkannte er einige von ihnen und verbeugte sich etwas unbeholfen vor Meinarda.
»Anselm Kiermeier zu Euren Diensten, Euer Erlaucht. Verzeiht bitte mein Misstrauen, doch wir müssen uns vor der List der Schweden hüten. Schließlich ist dies hier auf viele Meilen die einzige Brücke, die über die Donau führt, und sie darf dem Feind nicht unversehrt in die Hände fallen.«
»Natürlich nicht, Hauptmann Kiermeier! Bitte, lasst uns hinüber und helft uns, nach Neuburg zu kommen.« Bei diesen Worten verließen Meinarda die Kräfte. Sie sank in die Knie, umklammerte ihren Sohn, den sie nun in Sicherheit wusste, und ließ ihrem Schmerz freien Lauf. Die meisten Frauen gaben ebenso ihrer Schwäche nach, setzten sich auf den Boden oder ließen sich einfach fallen.
Kiermeier, ein mittelgroßer, breitschultriger Offizier mit kantigem Gesicht und dunklen, krausen Haaren, hatte von dem kaiserlichen Generalissimus Tilly den strikten Befehl erhalten, die Neuburger Brücke zu sichern und notfalls zu zerstören, bevor sie den Schweden in die Hände fallen konnte. Diese Aufgabe hätte er mit Freuden erfüllt, doch angesichts dieser elenden Schar fühlte er sich hilflos. Den Frauen stand das Grauen ins Gesicht geschrieben, sie und die Kinder weinten vor Erschöpfung. Alle hatten Durst und Hunger, doch Kiermeier und seine Leute hatten weder Brot noch Fleisch, ja nicht einmal einen Schluck jenes sauren Gesöffs, das von den Trauben am Nordufer der Donau gekeltert wurde.
Einige Augenblicke stand er da und kratzte sich mit der Rechtenan seinem schlecht rasierten Kinn. Dann wandte er sich mit einer heftigen Bewegung an seinen Feldweibel. »Lass ein paar behelfsmäßige Tragen anfertigen und bring die Damen und die Kinder in die Stadt. Dort wird man ihnen die Hilfe gewähren, die sie benötigen.«
»In Neuburg wird man kaum noch eine Unterkunft für sie finden. Die Stadt ist gestopft voll mit Flüchtlingen«, antwortete der Unteroffizier mit zweifelnder Stimme. Er machte kaum einen Hehl daraus, dass er die Frauen als Störenfriede ansah, die ihren eigentlichen Auftrag behinderten. Angesichts der tadelnden Miene seines Hauptmanns wagte er jedoch keinen weiteren Einwand. Dieser bestimmte mehrere Soldaten, die zusammen mit dem Feldweibel die Frauen in die Stadt schaffen sollten.
»Kommt sofort wieder zurück, wenn ihr die Damen abgeliefert habt, und wagt es bloß nicht, Fersengeld zu geben. Deserteure werden gehängt!«, setzte er knurrig hinzu. Dabei wusste der Hauptmann allzu gut, dass er die Männer nicht mehr wiederfinden würde, wenn sie ihren Dienst im kaiserlichen Heer abschütteln wollten. Die schiere Masse der Flüchtlinge würde sie verbergen, zudem stand ihnen der Weg zur Gegenseite offen. Gustav Adolf fragte bei den Söldnern, die in seine Regimenter eintraten, nicht danach, ob sie das Vaterunser auf katholische oder protestantische Weise zu beten pflegten; Hauptsache, sie fochten für ihn. So mancher Soldat, der die kaiserliche Seite verloren gab, ließ sich von den Versprechungen der gegnerischen Werberoffiziere anlocken. Dem Hauptmann blieb nur zu hoffen, dass der Anblick der Flüchtlinge genug Zorn und Hass in den Männern wecken würde, um sie bei der Fahne zu halten.
Während die Soldaten alles zusammensuchten, was sich für den Bau der Tragen brauchen ließ, musterte Kiermeier die Frauen genauer und stieß erschrocken die Luft aus, als er Ehrentrauds verbundenes Gesicht sah. Das Blut war durch die Leinenstreifengedrungen und hatte die Wunden darauf abgezeichnet, und auch auf ihren Brüsten breiteten sich rötlichbraune Flecken aus.
»Gott im Himmel! Diese Hunde schrecken wirklich vor keiner Untat zurück!«
»Wollt Ihr sehen, wie der Rest meines Leibes aussieht?« Ehrentraud begann in ihrer Erregung am Ausschnitt des Kleides zu zerren, als wolle sie sich den Stoff vom Leib reißen. Irmela und Meinarda hielten ihre
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