Die Feuerbraut
geht es schon wieder besser, aber Fräulein Ehrentraud gehört in die Hände eines kundigen Arztes.«
Der Edelmann blickte nun in Ehrentrauds aufgeschwollenes Gesicht, das mit den blutigen Verbänden im Schein der Fackeln noch grotesker wirkte als im Hellen, und schüttelte sich.
»Bei Gott, welche Bestien! Sie werden die ganze Welt zugrunde richten.« Mit einem Stoßseufzer forderte er seine Begleiter auf, den Weg in die Residenz freizumachen. Jene Flüchtlinge, denennicht das Privileg gewährt worden war, unter einem festen Dach nächtigen zu dürfen, und die der Kälte der Nacht schutzlos ausgeliefert waren, schimpften zwar heftig über die Bevorzugung, wichen aber zur Seite. Als Ehrentraud an ihnen vorbeigetragen wurde, dankten etliche Frauen und Mädchen Gott für seine Güte, ihnen in allem Elend wenigstens dieses Schicksal erspart zu haben.
Der Weg führte den Hang hoch und bog dann zum unteren, von zierlichen Arkaden überdachten Eingang der Residenz ab. Auch hier wimmelte es von Menschen. Die meisten schleppten Möbel, Bilder und Wandteppiche aus dem Gebäude, und im hinteren Teil des Innenhofs winselten mehrere Jagdhunde.
Irmela kam es so vor, als solle die Einrichtung der Residenz fortgeschafft werden. Höflinge und Beamte beaufsichtigen die Knechte und Mägde, die große Truhen mit allem Möglichen füllten, sie teilweise umpackten und sogar den einen oder anderen Gegenstand wieder in das Gebäude zurücktrugen.
Als hätte ihr Begleiter Irmelas unausgesprochene Frage vernommen, drehte er sich mit einem bitteren Lächeln zu ihr um. »Seine Gnaden, Herzog Wolfgang Wilhelm, befindet sich in der Stadt. Er hatte nicht erwartet, dass die Schweden so rasch vorrücken. Aus diesem Grund wird er Neuburg so bald wie möglich wieder verlassen und die Donau abwärts nach Wien fahren, um sich mit Seiner Majestät, dem Kaiser zu beratschlagen.«
Irmela empfand seine Worte als elegante Umschreibung der Tatsache, dass der hohe Herr vor dem Feind floh und dabei so viele Meilen wie möglich zwischen sich und den Gegner legen wollte. Das nächtliche Treiben in der Residenz erinnerte sie an die Fluchtvorbereitungen in Steglingers Gutshof. Walburgas Ehemann hatte auch alles mitnehmen wollen, was ihm wertvoll erschienen war. Damit hatte er zahlreiche Flüchtlinge einem grausamen Tod ausgeliefert und dennoch alles verloren. Sie konntenur hoffen, dass es dem Pfalzgrafen und Herzog von Pfalz-Neuburg nicht ebenso erging, nachdem er bereits seine Herzogtümer Jülich und Berg hatte räumen müssen, um nicht von den vordringenden Schweden überrannt zu werden.
Mit vor Müdigkeit zufallenden Augen und wunden Füßen folgte sie ihrem Führer in den Bau der Residenz, in dem sich der Speisesaal des Gesindes befand. Hier war ein Teil der Betten für das umfangreiche Gefolge aufgestellt worden, das den Herzog begleitete, und diese wurden nun noch enger zusammengeschoben, um Platz für die adeligen Flüchtlinge zu schaffen.
Der Höfling verabschiedete sich mit dem Versprechen, Waschwasser und einen Imbiss bringen zu lassen, und erinnerte sich selbst mit einem entschuldigenden Lächeln daran, dass ein Arzt benötigt wurde.
Die Damen, die den Saal auf eigenen Füßen hatten betreten müssen, ließen sich dort nieder, wo sie gerade standen. Im Augenblick waren sie zu erschöpft, um Trauer zu empfinden, und ihr Gejammer galt mehr ihren schmerzenden Gliedern und ihren wunden Füßen. Noch nie hatten sie einen so weiten Weg zu Fuß zurückgelegt, und sie waren auch niemals in ihrem Leben so schmutzig gewesen.
Als Irmela sich die Tränen aus den Augen wischte, roch sie Schlamm an ihren Händen und sah die nasse Spur auf der Dreckkruste, die ihren Handrücken und die Finger bedeckte. Sie war so müde, dass sie am liebsten auf der Stelle eingeschlafen wäre, gleichzeitig aber war sie so angespannt wie die Feder einer frisch aufgezogenen Uhr. Während sie sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte, wanderte ihr Blick über ihre verbliebenen Reisegefährten. Die meisten starrten vor sich hin, froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, andere waren ebenso wie die meisten Kinder trotz Durst und Hunger vom Schlaf übermannt worden. Meinarda von Teglenburg hatte den kleinen Siegmar fest an sichgedrückt und schien das Schreckliche im Traum noch einmal zu durchleben, denn ihr Mund zuckte schmerzhaft, und sie wimmerte leise.
Walburga Steglinger war noch wach, ebenso wie Ehrentraud, die die Leute, welche durch die Ankunft der Flüchtlinge geweckt
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