Die Feuerbraut
höheren Kreisen einen sehr distanzierten Umgang miteinander pflegten. Die einzige Gemeinsamkeit gebot das eheliche Beilager, da es beider Aufgabe war, den Stammbaum der Familie fortzusetzen. Bei dieser Vorstellung schüttelte es Irmela. Das war keine Ehe, wie sie sie führen wollte. Doch welche Gemeinsamkeiten hatten sie und Fabian? Würde sie, wenn sie seine Werbung annahm und ihm im nächsten Jahr das Jawort gab, ebenfalls neben einem beinahe Fremden leben müssen?
Diese Frage verneinte sie sofort, denn Fabian und sie besaßen zumindest gemeinsame Erinnerungen und kannten einander gut. Während sie sich von den übrigen Frauen in den Hintergrund schieben ließ, schüttelte sie den Gedanken an ihre Zukunft ab und beobachtete die Menschen, wie sie es immer tat, wenn sie die Gelegenheit dazu hatte.
Albert von Rains jüngerer Sohn, der Abt des Klosters, und seine Chorherren waren im Glanz goldblitzender Messgewänder erschienen, um die Gäste willkommen zu heißen. Stolz berichteten sie, dass Seine Majestät geruht habe, dem Kloster ein fast mannshohes, silbernes Kreuz zu stiften, das an diesem Tag geweiht werden sollte. Kaiser Ferdinand wollte mit dieser Gabe den Segen der Heiligen Jungfrau erflehen, dem katholischen Glauben und der allein seligmachenden Kirche im Reich wieder zu der ihnen gebührenden Macht zu verhelfen.
»Auch Seine Erlaucht, Graf Harlau, hat sich als äußerst großzügig erwiesen und uns eine Kinderfigur aus Silber verehrt, auf dass der Himmel ihm einen Sohn und Erben gewähre.« Der Abt schenkte dem Grafen dabei einen wohlwollenden Blick, den dieser mit einer Verbeugung beantwortete.
Irmela fragte sich, ob Harlau insgeheim betete, dass seine Frau ein Mädchen zur Welt brachte. Bei einem Sohn würde er immerZweifel hegen, ob es nun sein Kind war oder das dieses Lümmels von Leutnant, der es gewagt hatte, seine Frau zu verführen.
»Meine Liebe, wir wollen in die Kirche gehen!« Erst Meinardas mahnende Worte machten Irmela darauf aufmerksam, dass die Halle sich leerte. Sie folgte den anderen Gästen des Klosters in die Basilika und wurde von Meinarda zu dem Kirchengestühl geführt, in dem sich die Damen der Familie von Rain seit Generationen zum Gebet versammelten.
Der Abt selbst hielt die Messe und betete dabei so inbrünstig, als ständen die Schweden schon vor den Toren. Dabei malte er in seiner Predigt all die Schrecknisse an die Wand, die über die Gläubigen kommen würden, wenn Gott der Herr, Jesus Christus und die Heilige Jungfrau dem kaiserlichen Heer den Sieg versagten. Irmela, die das Grauen des Krieges bereits erlebt hatte, begann zu zittern, denn in ihr stiegen die Bilder jenes schrecklichen Tages wieder hoch, und sie sah Ehrentraud blutüberströmt vor sich liegen. Nun schämte sie sich, jemals schlecht von der Verstümmelten gedacht zu haben.
Meinarda musste sie erneut anstupsen, denn gebannt von den Ereignissen, die sich in ihrer Phantasie wieder abgespielt hatten, hatte Irmela das Ende der Messe nicht wahrgenommen und wäre beinahe im Kirchenschiff sitzen geblieben.
»Frierst du? Komm mit! Gleich wird dir warm.« Meinarda hatte Irmelas Hand ergriffen und bemerkt, wie eisig sie sich anfühlte. Doch die Kälte, die von Irmela Besitz ergriffen hatte, kam nicht von außen, sondern steckte tief in ihrem Innern und war durch die aufwühlende Predigt des Abtes verstärkt worden.
In der Halle hatten die Knechte des Klosters Tische und Bänke aufgestellt und Teller und Becher aus Holz verteilt. Zwar besaß das Kloster Silbergeschirr, doch zu einem Anlass wie an diesem Tag wollte man den himmlischen Mächten die Not des Reiches auch auf diese Weise vor Augen führen. Die Gerichte aber, dienun aufgetragen wurden, hielten den Ansprüchen jedes Feinschmeckers stand. Irmela konnte sich nicht erinnern, jemals üppiger gespeist zu haben als hier. Nur die Tischordnung verschlug ihr ein wenig den Appetit. Da sie neben Gräfin Stephanie die ranghöchste der anwesenden Damen war, hatte das Protokoll ihr den Platz neben Fabians Geliebter zugewiesen.
Zunächst bemühte sie sich, Stephanie mit kühler Höflichkeit zu begegnen, doch diese schien ihre Ablehnung nicht zu bemerken, denn sie bezog sie eifrig in das Gespräch mit ein und schenkte ihr schließlich ein strahlendes Lächeln.
»Wie ich gehört habe, sollt Ihr mit dem Leutnant Birkenfels bekannt sein. Ich habe ihn in Wallensteins Hauptquartier kennenund als angenehmen jungen Mann schätzen gelernt.«
Dumm bist du also auch noch, fuhr
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