Die Feuerbraut
beim nochmaligen Lesen des Pamphlets außerdem klar, dass Fabian und Kiermeier in höchster Gefahr schwebten, denn die beiden würden Wallenstein noch mit ihrem Leib schützen und dabei umkommen.
»Warum musste dieser verdammte Narr in Eger Quartier machen, anstatt sofort nach Sachsen zu fliehen?« Gibichen bedachte Wallenstein und seine Zögerlichkeit mit einigen stummen Flüchen, dann beugte er sich aus dem Sattel, riss den Anschlag von der Wand und steckte ihn ein.
»He, Kamerad! Was machst du da?«, rief ein Offizier ihn an.
Gibichen wandte sich ihm mit einem gequälten Grinsen zu. »Das muss ich sofort meinem Oberst und den Kameraden meines Regiments zeigen! Sie werden sich sehr dafür interessieren.«
»Aber ich hätte es auch gern gelesen«, beschwerte sich der Offizier.
»Diesen Anschlag wirst du wohl hier an jeder Ecke finden. Ich muss mich jedoch beeilen. Gott befohlen!« Gibichen tippte mit zwei Fingern gegen die Krempe seines Hutes, zog sein Pferd herum und gab ihm die Sporen. Während der Schnee von den Hufen stob, flehte er alle Heiligen an, ihn zu beschützen, damit er rechtzeitig nach Eger gelangte. Obwohl er sich im Streit vonFabian und Kiermeier getrennt hatte, wollte er sie nicht ihrem Schicksal überlassen.
Ein paar Stunden später war sein Pferd so erschöpft, dass es nur noch vor sich hinstolperte, und er befand sich meilenweit von jeglicher Herberge entfernt mitten im Wald. In der Ferne hörte er Wölfe heulen, und prompt blieb sein Tier mit bebenden Flanken stehen.
»Schon gut, mein Alter! Wenn die Bestien sich wirklich an uns heranwagen sollten, werden meine Pistolen ihnen schon heimleuchten.« Um sich Mut zu machen, schlug Gibichen gegen die Kolben der beiden Pistolen, die aus der Satteltasche ragten. Nun schalt er sich, weil er überstürzt aufgebrochen war, ohne seinen Burschen mitzunehmen, auch wenn dieser ihm Moralpredigten gehalten und alles getan hätte, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
Er stieg ab und führte sein Pferd, damit es sich erholen konnte. Als er sich gerade entschieden hatte, wieder aufzusteigen, kam eine Hütte in Sicht. Er zog sein Reittier darauf zu und zog vorsichtshalber eine Pistole. »Ist da jemand?«
Nur das Heulen des Windes in leeren Fensterhöhlen antwortete ihm. Wer auch immer hier gewohnt haben mochte, war weggezogen oder tot. Gibichen stieß mit der Stiefelspitze die Tür auf. Sie schwang an Lederbändern nach innen und schlug schwer gegen die Wand. Etwas flatterte erschreckt auf und kam auf ihn zu.
Gibichen riss die Waffe hoch, sah dann aber, dass es sich um eine Waldtaube handelte, die ihr Nest in der verlassenen Hütte gebaut hatte. Auf einen solchen Bewohner hätte Gibichen verzichten können, denn der Boden war mit Vogelkot bedeckt. Mangels eines anderen Werkzeugs schnitt er einen Ast von einem Baum, schüttelte den Schnee ab und verwendete ihn als Besen. Als Nachtlager mussten ihm ebenfalls vom Schnee befreite Zweigegenügen. Sein Pferd band er im Windschatten der Hütte an, damit es nicht zu sehr fror.
Auf Feldzügen hatte er schon schlechter geschlafen, dachte er, als er sich bei Einbruch der Dunkelheit auf sein provisorisches Bett sinken ließ und seine Pistolen neben sich legte, so dass er sie jederzeit ergreifen und abfeuern konnte. Dann ließ ihn die Gewohnheit eines harten Lagerlebens rasch wegdämmern.
Mitten in der Nacht weckte ihn ein Geräusch, und er vernahm leise Stimmen. Er packte die Pistolen und richtete sich auf. Die Menschen, die sich der Hütte zu nähern schienen, versuchten wohl, leise zu sein, aber er konnte ihre Schritte verfolgen. Nicht zum ersten Mal hatte er es seinen guten Ohren zu verdanken, dass er gewarnt war. Mit einem Schritt stand er neben der Tür und zog sie einen Spalt auf.
Der Mond schien hell genug, um zwei Gestalten erkennen zu können, die sich für sein Pferd interessierten. Beide trugen weite Mäntel, so dass er sie zunächst für Männer hielt. Doch als die kleinere Person zu sprechen begann, klang ihre Stimme wie die einer Frau.
»Schnell! Nimm das Pferd, bevor der Reiter aufwacht, und dann nichts wie weg!«
Die andere Gestalt fasste nach dem Zügel, doch da peitschte Gibichens Stimme auf. »Das würde ich an deiner Stelle unterlassen!«
»Verdammt, da ist der Kerl!« Der Mann fuhr herum und wollte auf Gibichen losgehen. Dann sah er die im Mondlicht aufblitzenden Pistolenläufe. Offensichtlich traute er deren Besitzer nicht zu, in dem diffusen Licht etwas treffen zu können, denn er
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