Die Feuerbraut
Mäuse in der Speisekammer.
»Vorsicht, Freunde! Graf Harlau ist heute angekommen. Wir sollten seine Nachtruhe nicht stören.« Heimsburg kicherte leise, als hätte er einen amüsanten Witz erzählt, und winkte den vieren, ihm zu folgen. Die Tür zum Palas stand noch offen, und sie erreichten ungesehen die Treppe.
»Wir müssen Harlaus Kerkermeister zum Schweigen bringen, bevor er Alarm schlagen kann«, raunte Heimsburg Gibichen zu.
Dieser nickte und zog seine Pistole.
Heimsburg griff sich an den Kopf. »Seid Ihr verrückt? Wenn Ihr dort unten die Waffe abfeuert, dröhnt es wie ein Kanonenschuss.«
»Ich will damit nicht schießen, sondern zuschlagen«, raunte Gibichen ihm zu. Da Heimsburg nicht sofort weiterging, nahm er ihm die Laterne aus der Hand und reichte sie Irmela.
»Hier, damit Ihr wenigstens zu etwas nütze seid!«
»Laffe!«, fauchte sie leise zurück.
Heimsburg betete stumm, dass der Wärter ebenfalls schlief, und es war, als habe der Himmel ihn erhört. Der Mann öffnete zwar noch die Lider, als der Schein der Lampe auf ihn fiel, doch bevorer einen Laut von sich geben konnte, schlug Gibichen mit aller Kraft zu. Der Mann sackte in sich zusammen und blieb regungslos liegen.
Irmela sah Gibichen erschrocken an. »Hoffentlich habt Ihr ihn nicht erschlagen.«
»Doch, das habe ich. Wollt Ihr, dass er zu sich kommt und uns den Grafen und dessen Leute auf den Hals hetzt?«, gab Gibichen verärgert zurück und wies Paul an, die Kerkertür zu öffnen.
Heimsburg blieb ein wenig zurück, denn er kämpfte mit der Vorstellung, Birkenfels habe Harlaus Versprechen geglaubt und aus Angst um sein Leben die Gräfin erwürgt.
Es war Irmela, die mit der Laterne in der Hand an Paul vorbei als Erste in die Felsenkammer schlüpfte. Sie schauderte angesichts der feuchten Wände und des für ihre empfindliche Nase überwältigend scharfen Geruchs, ging aber weiter und sah sich um. Im ersten Augenblick schien das Gelass leer zu sein, und sie nahm bereits an, Heimsburg habe sie alle in eine Falle gelockt. Dann entdeckte sie zwei eng aneinandergekauerte Schatten.
»Stephanie, Fabian?«, rief sie drängend.
Ein keuchender Ausruf antwortete ihr. »Komtesse Irmela, seid Ihr es?« Einer der beiden Schatten trat ins Licht, wich aber sofort wieder zurück, als er Irmela in Männerkleidung sah.
Diese hatte Stephanie erkannt und eilte auf sie zu. »Wie geht es Euch, meine Liebe?«
Gibichen stieß einen ärgerlichen Ruf aus. »Wir haben keine Zeit für Konversation, sondern müssen so schnell wie möglich wieder verschwinden. Paul und ich helfen Fabian, Heimsburg und Abdur sollen sich um die Gräfin kümmern! Irmela, Ihr leuchtet uns.«
»Ihr seid es wirklich!« Stephanie klammerte sich an Irmela und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Sie riecht ebenso scharf wie der Kerker, dachte Irmela, hielt die junge Frau aber eng umschlungen und streichelte ihr strähniges Haar.
»Wollt ihr Weiber nicht endlich Vernunft annehmen!« Gibichen war mit zwei langen Schritten bei Irmela und Stephanie und zerrte sie auseinander.
»Jetzt kommt!« Er stieß Stephanie Heimsburg in die Arme, der nicht so recht zu wissen schien, was er tun sollte. Unterdessen war auch Fabian in den Lichtschein der Laterne getreten und bleckte die Zähne in Richtung seines alten Feindes.
»Jetzt werde ich Euch den heimtückischen Schlag von vorhin heimzahlen!« Bevor er einen Schritt in Heimsburgs Richtung machen konnte, hatte Gibichen ihn gepackt und schüttelte ihn heftig.
»Nimm Vernunft an, du Narr! Wir müssen hier raus, bevor uns der Graf überrascht. Dir mag es vielleicht gefallen, aber ich wünsche hier nicht auf Dauer zu wohnen.«
»Außerdem solltet Ihr mir dankbar sein, dass ich Euch das Leben gerettet habe. Harlau hätte Euch mit Vergnügen niedergestochen«, spöttelte Heimsburg, der sich wieder gefasst hatte. Ohne Fabian noch eines Blickes zu würdigen, blieb er vor Stephanie stehen und deutete eine Verbeugung an.
»Gnädigste erlauben?« Er packte sie unter einem Arm, während Abdur von der anderen Seite zufasste. Gemeinsam führten sie sie hinaus. Irmela musste sich beeilen, um vor ihnen die Treppe zu erreichen und auszuleuchten.
Gibichen und Paul wollten Fabian auf dieselbe Weise helfen, doch der knurrte sie an: »Ich kann auf meinen eigenen Beinen stehen!«
Kurz darauf sah Fabian ein, dass er die Hilfe seiner Freunde benötigte, denn der lange Aufenthalt in der Felsenkammer hatte seine Muskeln erschlaffen lassen. Gibichen verkniff sich
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