Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
für mich«, flüsterte sie, dann vergingen sie und Illian in einem weißen Licht.
Ich saß in meinem Bett und weinte. Es war nur ein Traum, sagte ich mir, ein Flug der Einbildung, aus Erschöpfung und Trauer geboren, bestimmt war es nicht wahr. Ich hob die Hand, um mir die Wange abzuwischen, und etwas fiel herunter. Ein Apfelkern …
Lange hatte ich nicht geschlafen, es war wohl kaum mehr als eine Kerze nach der vierten Glocke, kurz nach Mittag also. Ich wusch mich, betrachtete mein Gesicht im polierten Silberspiegel, bemerkte die Seife dort und den Lederriemen an dem Haken. Ich hatte mich schon seit Wochen nicht mehr rasiert, in Bessarein waren nur Eunuchen bartlos. Ich zog meinen Dolch, musterte ihn skeptisch und zog ihn übers Leder. Diese einfache Tätigkeit half mir zumindest, meine Gedanken zu ordnen.
Während ich dort stand und mir den Bart abschabte, dachte ich über die Träume nach, die ich von unserer Königin gehabt hatte.
Das letzte Mal, als ich sie sah, war sie ein Kind gewesen und hatte mich in die Schlacht am Pass von Avincor geschickt, um dort den Barbaren den Zugang zum Reich zu verwehren. Eile war geboten, denn es dauerte zu lange, bis die Armee des Reichs unter dem Befehl des Grafen Filgan den Pass erreichen konnte, also brach ich mit vierzig Rittern eines Ordens auf, um den Pass zu halten, bis die Armee in Stellung war.
Sie wusste, was sie von uns verlangte, und auch, dass wir uns nicht wiedersehen würden. Die vierzig Getreuen starben auf dem Pass, den wir zwölf lange Tage hielten.
Der Graf jedoch entschied, dass es keinen Sinn ergeben würde, den Pass zu verstärken, und bezog im Hinterland mit der Armee Stellung. Er saß auf seinem faulen Arsch und wartete nur ab, derweil beschäftigte er sich mit der Falkenjagd. Als er nachsehen ließ, warum die Barbaren nicht kamen, fand er die vierzig Getreuen erschlagen und einen Berg aus Leichen vor, so hoch, dass die blutigen Körper den Pass wie einen Wall verschlossen.
Die Barbaren hatten sich zurückgezogen, es gab keine weitere Schlacht, und der Graf von Thurgau war verschwunden.
Ich mied die Kronstadt, zog ruhelos durchs Land und machte meiner Königin den Vorwurf, dass es ihre Schuld gewesen war, ihr Versagen, den Grafen Filgan als Heerführer benannt zu haben. Und doch wusste ich um die Ungerechtigkeit meines Urteils. Die Königin tat, was sie hatte tun müssen, und wäre es sinnvoll gewesen, hätte sie selbst ihre Bahre dort an den Pass bringen lassen. Sie besaß all den Mut und den Willen, an dem es dem Grafen mangelte.
Immer wieder spielte ich mit dem Gedanken, zurückzukehren, sie noch einmal zu sehen, doch ein jedes Mal redete ich mir ein, dass sie nun älter war, nicht mehr das Kind, das mich damit aufzog, dass ich Apfelbäume pflanzte. Nicht mehr das Mädchen, das von jedem Apfel, den sie aß, die Kerne für mich sammelte. Nicht mehr das Kind, nicht mehr die, die ich geliebt hatte wie meine eigene Tochter.
Ob Traum oder nicht, ich wusste tief in meinem Herzen, dass unsere stolze Königin nun tot war. Es war zu spät, zu lange hatte ich gezaudert, mich gewunden, Gründe gesucht, sie zu meiden. Im Traum zumindest hatte sie es mir nicht nachgetragen.
Das brauchte sie auch nicht, ich vermochte es ganz gut für mich allein. Sie, die niemals bei einem Mann hatte liegen können, hatte in meinem Traum ihr Hochzeitskleid getragen. So viele Wunder konnten die Priester der Götter wirken, warum nur war es niemandem von ihnen gelungen, ihr Rückgrat zu richten? Wieso ließen die Götter zu, dass dieses Mädchen ein Leben lang in ihrem Körper gefangen blieb, ausgerechnet sie, die sie doch so gern herumsprang und lachte?
Dreihundertzwanzig Jahre lang regierte ihre Linie unser Land, gute und schlechte Könige waren darunter, tapfere Männer, weise, dumme und auch Trunkenbolde und Taugenichtse. Aber an Größe kam ihr keiner auch nur nahe.
Unter dem Schaum kam mein Gesicht zum Vorschein und erschien mir fremder als jemals zuvor. Es schien mir, als habe die Sonne Bessareins alles weggebrannt, was einst freundlich gewirkt hatte. Dieses sture Kinn erkannte ich kaum wieder, die tiefen Falten und die Narben gaben dem Mann im Spiegel eine Härte und Grausamkeit, die mich erschreckte.
Ich hatte sterben wollen, also hatte ich mich dem Alter überlassen und es vermieden, Seelenreißer auch nur zu berühren. Das Altern dauerte viel zu lange, aber zuletzt holte es mich doch ein, bis es mir schien, dass in Wochen Jahre vergehen würden.
Bis sich in
Weitere Kostenlose Bücher