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Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Titel: Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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drei mächtigen schwarzen Schiffe lagen, und tat so, als gehörte ich hierher.
    Ich hatte schon gehört, dass Piraten bunt gekleidet sein sollten. Nun, zum Teil traf es zu. Viele trugen die mehr oder weniger gut erhaltenen Reste von kostbaren Kleidungsstücken, vor allem Brokatwesten waren außerordentlich beliebt. Allerdings schien es egal zu sein, ob ein solches Kleidungsstück zu dem passte, was man bereits trug. Ich sah einen Piraten, der einen kostbar bestickten Frauenrock trug, ein Mieder darüber, das ihm den Rücken freiließ, und dazu eine rote, mit goldenen Borten bestickte Jacke. Das unvermeidliche Kopftuch war lavendelfarben, der Kerl war reich mit Henna geschminkt und trug zwei große Äxte durch die Schlingen seines Mieders gesteckt.
    Ich lächelte etwas wehmütig, Armin wäre bei dem Anblick sicherlich in Ohnmacht gefallen. Der weitaus größte Teil der Leute aber lief barfuß und in Fetzen umher … Nun, manche der ehemals kostbaren Kleider waren in keinem besseren Zustand.
    Zurzeit war auch ich barfuß, hatte meine Stiefel zum Trocknen neben mir auf den steinernen Poller gestellt und schonte meine gequälten Füße. Ihr Zustand würde mich lehren, noch einmal in nassen Stiefeln wandern zu wollen. Ich fürchtete schon jetzt, wie es sich anfühlen würde, wenn ich meine aufgequollenen und blutigen Füße wieder in die Stiefel zwängen musste.
    Diese alte Festungsstadt hatte einen kleinen Markt, der zwischen Hafen und den engen Gebäuden eingeklemmt war; dort drängten sich dicht an dicht die ganze Pracht und das Elend zugleich. Es gab solche, die wie feine Herren mit Sänften getragen wurden, andere waren abgemagert bis auf die Knochen, und mehr als einer litt an schwärenden Wunden oder an Geschwüren.
    Die Frauen aber waren oft am schrecklichsten anzusehen. Ihre Gewänder waren meist prachtvoll, aber was darin steckte, bereits in jungen Jahren verbraucht. Auf dem Weg vom Tor zum Hafen gab es mehr als eine, die sich mir anbot, von zahnlosen alten Vetteln bis hin zu jungen Mädchen, die gewiss das erste Blut noch nicht gesehen hatten. Meist waren es schwarze Zahnstummel, die das verheißungsvolle Lächeln zu einem Schrecken werden ließen, mehr aber entsetzte mich ihr stumpfer Blick.
    Es gab eine Grenze, über die hinweg ein Mensch ein Leid nicht tragen konnte, ohne dabei zu brechen. Ich hatte solche Blicke schon zuvor gesehen, aber nie in dieser Zahl und zugleich in solch jungen Gesichtern, die doch älter schienen als mein eigenes. Es gab hier auch Kinder, sie rannten halbnackt umher, manche von ihnen schon von der Last des Lebens erdrückt, andere jedoch lachten inmitten der Verzweiflung.
    Wenn der Blick der Leute nicht von Leid stumpf und tot war, war er misstrauisch oder mordlüstern. Ich trug Schwert und Dolch, damit war ich hier unterbewaffnet; es schien an diesem Ort ein Wettbewerb zu herrschen, wer die meisten Waffen tragen konnte, ohne dabei zu stolpern.
    Während ich dort saß und das Karnickel abnagte, kam ein kleines Mädchen zu mir. In Lumpen gekleidet und abgemagert stand es dort und sah mich mit großen Augen an. Es sagte nichts, es schien auch nicht zu betteln, nur wenn ich kaute, kaute es auch, wenn ich schluckte, schluckte auch das Mädchen. Ich hatte Hunger wie ein Wolf, aber jeder Bissen fiel mir schwerer und schwerer, bis mir das Essen im Halse stecken blieb.
    Ich hielt ihr den Rest des dürren Bratens hin, sie sah mich ungläubig an und kam dann zu mir, streckte die Hand aus, nicht nach dem Braten, sondern nach meinem … Hosenbund!
    Beinahe hätte ich bei dem Versuch, ihr auszuweichen, meine kostbaren Stiefel ins Hafenwasser gestoßen. Ich schüttelte nur entsetzt den Kopf und hielt ihr das Karnickel hin. Endlich verstand sie, riss mir den Braten aus der Hand und rannte davon, als wäre der Namenlose selbst hinter ihrer Seele her.
    Ich sah ihr fassungslos nach und hätte es beinahe versäumt, einem alten Mann meine Stiefel zu entreißen. Der zischte mich an wie eine Natter, bedachte mich mit einer unflätigen Geste und rannte ebenfalls davon, so schnell ihn seine dürren Beine trugen.
    In meiner Jugend hatte ich Leid und Elend gesehen, war Zeuge geworden, wie der Hunger Menschen dahinraffte, auch wie Gier und reine Selbstsucht sie zu Tieren werden ließen. Dennoch, selbst in Kelars finsterster Stunde, als die Getreidespeicher meiner Heimatstadt nicht ein Gerstenkorn mehr enthielten, war es niemals so übel gewesen wie hier, denn oft genug brachten Menschen die Größe auf, mit

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