Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
beiden anderen Piraten waren mittlerweile nahe genug, um sich den Toten anzusehen und die Hühner, die noch immer flatterten.
»Hey«, rief einer der Neuankömmlinge. »Rendor, suchst du wieder Ärger? Kein Händel in der Stadt!«
»Wir sin’ vor der Mauer«, protestierte Rendor. »Der hier wollt mir mein’ Henner stehlen!«, fügte er vorwurfsvoll hinzu und wies anklagend mit seinem Entermesser auf mich. Der jüngere der beiden Piraten, der Wortführer bisher, sah bedeutsam auf den Toten und die Hühner neben Rendors Füßen.
»Ich hab dich gewarnt, Rendor«, sagte er nun unbeteiligt, musterte mich abschätzend und schaute dann fragend zu seinem großen Begleiter hoch. Der Preiskämpfer zuckte mit den Schultern. »Is’ vor der Mauer, Ma’kos.«
Der junge Mann lächelte, doch freundlich war das Lächeln nicht.
Er wandte sich an mich. »Ihr habt noch nicht blankgezogen«, stellte er dann fest. »Geht Ihr auf den Händel ein? Ich stehe für Euch gerade.« Er sah verächtlich zu Rendor, der mir nun etwas verwirrt erschien. »Tut mir nur den Gefallen und schickt ihn zu Soltar, er belastet sonst noch mein Gemüt.«
Ich nickte, etwas Besseres fiel mir nicht ein.
»Also gut!«, rief der Preiskämpfer. »Aufs Blut oder aufs Leben?«
»Verrecken soll er«, rief Rendor und spuckte mir vor die Füße.
»Drei Schläge aufs Leben, das sind die Regeln«, verkündete der große Mann. Kaum hatte er es gesagt, stürmte Rendor mit einem Wutschrei auf mich los. Andere Regeln gab es wohl nicht.
Ich zog mein Schwert.
Besser: ich wollte es ziehen. Seelenreißers Klinge war poliert und scharf wie ein Rasiermesser, zudem war sie immer begierig auf einen Kampf. Dieses Schwert war toter Stahl und rostig, nur eine Handbreit kam es aus der Scheide und blieb dann stecken.
Rendors Entermesser schlug mir fast ein Ohr ab, gerade noch rechtzeitig konnte ich ausweichen. Ich ließ Schwert nun Schwert sein, ergriff den Arm mit dem schweren Dolch, zog ihn herum, trat hinter den Kerl, legte meinen linken Arm um seinen Hals, drehte mich und warf ihn über die Schulter. Er versuchte noch, nach mir zu stechen, aber es war zu spät. Sein Körper zog eine hohe Bahn über mich, der Hals jedoch blieb, wo er war, ein Knacken ertönte, lauter als das des alten Mannes, dann ließ ich ihn los und er fiel zu Boden.
Ein feuchter Fleck breitete sich zwischen seinen Beinen aus.
Die beiden Piraten und ich sahen auf Rendor hinab, dann schüttelte der jüngere den Kopf. »Mit dem Schwert könnt Ihr nicht umgehen, mein Freund, aber Ihr seid trotzdem ein guter Kämpfer.« Er bückte sich und zog Rendor den Gürtel ab, nahm ihm das Entermesser aus den leblosen Fingern und schob es in die Scheide zurück. Dann zog er ihm noch zwei goldene Ringe von den Fingern und fischte einen eher schlaffen Beutel unter dem brokatverzierten Wams hervor, um mir dann Gürtel, Dolch, Ringe und Beutel zu reichen.
»Er hat es nicht anders verdient, der Kerl suchte immer Ärger«, erklärte er mir. »Ich hätte ihn nie an Bord nehmen sollen.« Er musterte mich, während ich langsam die Hand ausstreckte, um mein Beutegut in Empfang zu nehmen. »Ich kann gute Leute gebrauchen, vor allem einen besonnenen Kämpfer«, sagte er. »Ich bin Marcus, Kapitän der Blauen Kuh . Ihr findet mich im Durstigen Becher , aber nur drei Tage lang, dann laufen wir wieder aus.«
Er gab dem Preiskämpfer ein Zeichen, der nahm Rendor und legte ihn sich über die Schultern. Beide drehten sich um und gingen zur Stadt zurück. Der Blutige Marcus schaute noch einmal zu mir zurück. »Vergesst Eure Hühner nicht«, rief er und lachte laut, bevor er sich abwandte und davonging.
Ich steckte Beutel und Ringe ein und warf mir den Gürtel mit dem schweren Entermesser über die Schulter. Ich tat einen Schritt in Richtung Festung, blieb dann stehen und sah auf den alten Mann hinab.
Letztlich war er gestorben, weil er die Wahrheit gesagt hatte. Das war ein scharf gespaltenes Haar, aber wenigstens war es etwas Gutes, das ich über ihn sagen konnte.
Ich schickte Soltar ein stilles Gebet, drehte mich um, griff die beiden »Henner«, die wild flatterten, und ging zum Festungstor.
Es gab dort ein altes Wachhaus, aber es war nicht besetzt. Also ging ich einfach weiter.
Auf dem Markt konnte ich die beiden dürren Hühner gegen ein halbes zähes Karnickel tauschen, wenigstens war es schon gebraten und musste nicht erst noch abgezogen werden. Also saß ich etwas später unten am Hafen, unweit der Stelle, an der die
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