Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
mehr begegnet. Dennoch war er sehr genau über ihr Verhältnis zu seiner Tochter Amina unterrichtet. Denn er hatte eine Dienerin beauftragt, ihn über alle Veränderungen auf dem Laufenden zu halten, wodurch er nun jeden Abend alle Neuigkeiten über die kleine Prinzessin erfuhr. Gewiss, es war eine etwas halbherzige Art, seiner Tochter nahe zu sein, aber anders war es ihm leider nicht möglich. So gut wie den ganzen Tag war er mit Ratssitzungen, Versammlungen und Regierungsgeschäften beschäftigt. Und wenn er ausnahmsweise einmal Gelegenheit hatte, mit seiner Familie zu Abend zu speisen, verhinderte Feas starres Festhalten an der Etikette, dass er sich seiner Tochter gegenüber ganz natürlich verhielt. Manchmal fühlte sich Neor mehr als Vater der zahllosen unbekannten Untertanen Learcos als der seiner Kinder Amina und Kalth.
Jetzt bedachte er Adhara mit einem Lächeln. »Wolltest du zu mir?«
Sie nickte nur.
In wenigen klaren Worten erklärte sie ihm alles. Sie war erwachsener geworden, wie Neor fand. Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war sie ihm noch wie ein hilfloses junges Ding vorgekommen, nun jedoch schien sie daran zu arbeiten, eine eigene Persönlichkeit zu gewinnen. Mit einem Anflug von Stolz dachte er, dass dies sicher auch das Verdienst seiner Tochter Amina war.
»Und wann soll das stattfinden?«, fragte er, als sie fertig war.
»Das entscheidet Ihr. Ich brauche nur ein wenig Zeit, um alles vorzubereiten.«
»Fea wird sicher nicht begeistert sein«, gab Neor zu bedenken.
»Nun, wer sagt denn, dass sie es unbedingt wissen muss?«, erwiderte Adhara.
Der Prinz lachte auf. »Du hast mich überzeugt«, sagte er. »Bereite alles vor, wie du es für richtig hältst. Meine Erlaubnis hast du.«
Adhara lächelte, ein offenes, aufrichtiges Lächeln, und Neor dachte einmal mehr, dass er den richtigen Riecher gehabt hatte: Adhara und Amina konnten gar nicht anders, als sich gegenseitig zu helfen.
Schon vor dem Frühstück stürmte Adhara in Aminas Zimmer. Die Prinzessin lag noch im Bett, das schlafende Gesichtchen ins Kissen gedrückt, ihr Körper von einem Leintuch umhüllt.
»Wach auf! Heute ist ein großer Tag.«
Amina fuhr hoch. »Ja, wieso?«, nuschelte sie mit ausgetrocknetem Mund.
»Das wirst du schon sehen. Glaub mir, es wird toll«, antwortete Adhara.
Sie ließ sie ihre Jungensachen anziehen, die das Mädchen normalerweise nur zum Spielen trug. Amina konnte ihre Freude nicht verhehlen. »Ist denn heute kein Unterricht?«
»Zumindest nicht der übliche.« Adhara liebte es, sich geheimnisvoll zu geben. Neugier, Erregung, Vorfreude – all diese Regungen, die sich nach und nach auf Aminas Gesicht zeigten, ließ sie genüsslich auf sich wirken und fühlte sich wohl dabei.
Sie gab ihr nur ein wenig Milch zum Frühstück und machte ihr dann einen Beutel mit Essen zurecht: Trockenfleisch, Brot und frischer Käse.
»Machen wir denn einen Ausflug?«
»Wart’s nur ab, du wirst schon sehen.«
Als sie dann schließlich nebeneinander her über den breiten Weg durch den Park zum Tor schritten, begann auch Adharas Herz schneller zu schlagen. Gewiss, sie hatte die Überraschung für Amina vorbereitet, aber im Grund genommen auch für sich selbst. Beide würden sie diesen Tag genießen, wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Schon von weitem erkannte sie ihn. Mit seinem langen Schwert, das hinter seinem Rücken hervorragte, wartete er mitten auf dem Weg. Amina erstarrte, als sie ihn bemerkte.
»Ist er das?«, fragte sie abwehrend.
Adhara winkte Amhal zu, und der trat näher.
»Also Amina, das ist Amhal.«
Der Jüngling verneigte sich und bedachte die Prinzessin mit einem unwiderstehlichen Lächeln. Adhara war richtig stolz auf ihn.
Doch Amina blieb kühl. »Ich kenne ihn. Der gehört doch zu den Wachsoldaten von meinem Opa. Was willst du hier?«, fragte sie Amhal barsch.
Der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Nichts Besonderes. Adhara hat mir nur erzählt, dass du gern fechtest, und ich dachte mir, es würde dir vielleicht Spaß machen, gegen mich zu kämpfen. Wir machen uns einen schönen Tag: Den Morgen verbringen wir in der Akademie und trainieren mit dem Schwert, und am Nachmittag kannst du mich begleiten auf Streife durch die Stadt. Was hältst du davon?«
Adhara spürte deutlich, dass Amina dieses Tagesprogramm aufgeregt und innerlich jubelnd begrüßte, obwohl sie das Lächeln, das ihr unwillkürlich auf die Lippen getreten war, schnell wieder zu unterdrücken versuchte.
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