Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
ihrem Amhal geworden?
In diesem Moment betrat er wieder das Zelt. Das Gesicht gezeichnet, erschöpft. Adhara hob den Blick und wartete, wünschte sich, dass er den ersten Schritt machte, etwas zu ihr sagte, egal was. Doch er setzte sich nur nieder und blickte versunken ins Feuer.
»Bist du wütend auf mich?«, fragte sie ihn.
Amhal musste einen Moment nachdenken. »Das hier ist kein Platz für dich«, sagte er dann.
»Mein Platz ist, wo du bist.«
Er winkte zornig ab. »Ach, verdammt noch mal, Adhara, siehst du denn nicht, wo wir hier sind? Ist dir entgangen, was dort draußen los ist. Hast du sie dir nicht angeschaut, diese Leute, die dich fast gelyncht hätten?«
»Doch, natürlich. Und ich weiß auch, dass es bald in der gesamten Aufgetauchten Welt so aussehen wird. Dieses Unheil lässt sich nicht mehr aufhalten. Es wird alles verschlingen.«
Amhal blickte wieder ins Feuer. Die Flammen warfen flackernde Schatten auf sein Gesicht. Er wirkte mitgenommen. Kaum mehr als eine Woche hatte sie ihn nicht gesehen, aber
er hatte sich schon verändert. In der kurzen Zeit hier musste sich etwas Schwerwiegendes zugetragen haben.
»Du hast die Männer einfach erschlagen …«
»Bist du gekommen, um mir Moralpredigten zu halten? Die hätten dich doch umgebracht. Was blieb mir anderes übrig? Hier draußen kann man sich keine Skrupel leisten. Hier passe ich hin mit meiner Wut.«
Adhara schaute ihm fest in die Augen. »Nein, du hättest niemals hierherkommen dürfen …«
»Das trifft wohl eher auf dich zu. Was willst du hier bloß?«, erwidert er, wobei er eine Sicherheit vorgab, die er gar nicht besaß.
»Das weißt du genau.«
»Adhara, was dich treibt, ist keine Liebe. Du hältst es dafür, aber das ist es nicht.«
»Vielleicht weiß ich nicht viel vom Leben, aber …«
»Ich habe dich damals gerettet«, unterbrach Amhal sie ungerührt, »und deswegen glaubst du, mich zu lieben. Aber nur, weil ich lange, allzu lange dein einziger Halt war. Und das ist keine Liebe, bloß Dankbarkeit. Du machst dir etwas vor.«
Adhara schluckte ihre Tränen hinunter, um ihm nicht die Genugtuung zu gönnen, sie weinen zu sehen. »Du willst, dass ich dich wieder verlasse. Aber so schaffst du das nicht.«
Amhal bemühte sich, aus seinem Blick jede Schwäche zu tilgen, doch Adhara erkannte es noch, hinter seinen Pupillen, all das Gute, das auch in ihm steckte, seine bessere Seite.
»Dieses Lager hier macht dich kaputt«, sagte sie, »aber dein gutes Herz hast du nicht verloren. Du bist immer noch der Soldat, der mir an jenem Abend in Salazar das Leben gerettet hat, bist noch der Gefährte, der mit mir gereist ist und schöne und schreckliche Dinge erlebt hat, bist noch der Freund, der sich so verzweifelt bemühte, mir zu einer Vergangenheit zu verhelfen. Und bist auch noch der Mann, der
mit aller Kraft gegen die Mordlust ankämpfte, die er in sich spürte, und der sie sogar besiegen konnte.«
Amhal lächelte bitter. »Ich habe sie nie besiegt.«
Sie ging nicht darauf ein. »Soll ich dir sagen, wieso ich hier bin? Weil es mir nicht gelungen ist, dich aufzuhalten, dich davon abzubringen, hierherzuziehen und hier deine Seele zu verspielen. Aber ich kann dich immer noch daran hindern, diesen Weg des Verderbens ganz zu Ende zu gehen. Denn ich bin mir vollkommen sicher: Ich bin die Einzige, die es schaffen kann, dich zu retten.«
Mit der ganzen Entschlossenheit, die sie im Herzen spürte, blickte sie ihn an mit jenem blinden Vertrauen, das sie, mitten durch das Grauen beiderseits des Wegs, hierher zu ihm geführt hatte. Und sie beobachtete, wie sein Blick nachgab und etwas hindurchbrach durch diesen Panzer, den er mit jedem Tag dicker werden ließ.
»Du sollst nicht sehen, was ich hier tagtäglich erlebe …«, murmelte Amhal.
»Lass uns gemeinsam umkehren«, sagte sie und legte die flache Hand auf seinen Arm.
Er schüttelte den Kopf. »Hier gehöre ich hin, an einen solchen Ort, immer schon. Etwas Besseres habe ich nicht verdient.« Eine derartige Verzweiflung lag in seinem Blick, eine so tiefe Verzagtheit, dass Adhara einen Moment lang in Schweigen verharrte. Als sie gerade etwas erwidern wollte, wurde die Plane des Zelteingangs zur Seite geschoben.
Anders als Amhal wirkte San unverändert, selbstsicher, charmant: »Ich störe doch hoffentlich nicht«, sagte er freundlich und setzte sich zu ihnen ans Feuer.
Adhara blickte ihn hasserfüllt an. Dabei hatte ihr San in der ersten Zeit noch gefallen; die Aura des Helden, die ihn
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