Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Magd lächelte zurück und entfernte sich, während der Mann in Schwarz wieder in seine Gedanken abtauchte und versuchte, sich die unklaren Empfindungen der Vision zu verdeutlichen. Diese Bilder überkamen ihn häufig in jüngster Zeit, ein Zeichen, dass er seinem Ziel schon ganz nah war. Es handelte sich immer um dieselbe Szene: Ein junger Ritter auf einem Drachen mit schwarzen Flügeln. Das musste er sein.
Als die Magd wieder an seinen Tisch trat, um ihm den gefüllten Krug zu bringen, zog er sich rasch die Kapuze noch tiefer ins Gesicht. Ihm war nicht danach, mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Langsam verlor er die Lust. Seit mindestens einem Monat hielt er sich nun schon in dieser Stadt auf, um die er am liebsten immer einen weiten Bogen gemacht hätte. Zu viele unschöne Erinnerungen waren mit ihr verbunden. Zum Glück waren seit damals viele Jahre ins Land gegangen, so dass er hier tatsächlich nur noch ein Fremder war.
Aber, so dachte er, während er den Krug mit einem Zug fast zur Hälfte leerte, die Mission verlangte dieses Opfer von ihm, und er musste sich fügen. Seine Mission stand immer über allem anderen.
Der Mann, mit dem er verabredet war, tauchte plötzlich aus der Menge auf und setzte sich wortlos zu ihm an den Tisch. Auch er trug eine Kapuze, die er sich jetzt noch tiefer ins kreidebleiche Gesicht zog. Aber das Licht in der Schenke drang durch den dünnen Stoff und ließ seine Augen erkennen, die tiefviolett waren.
»Hier ist zu viel los«, sagte er. »Findest du nicht?«
Der Mann in Schwarz lächelte. »Entspann dich. Wo könnten
wir weniger auffallen als in diesem Mischmasch seltsamster Typen und verschiedenster Rassen. Hier ist jeder nur mit sich selbst beschäftigt. Und außerdem sind die meisten besoffen oder gerade dabei, sich volllaufen zu lassen.« Er nahm noch einen Schluck. »Hier wird dich niemand beachten.«
Der andere ließ einen besorgten Blick durch den Raum schweifen. »Hoffentlich«, brummte er, wenig überzeugt.
Die Magd erschien wieder an ihrem Tisch und fragte den neuen Gast nach seinen Wünschen. »Einen Obstwein«, murmelte der, wobei er sich von ihr wegdrehte.
»Natürlich, wenn du weiter so verschwörerisch tust, wird man schon noch auf dich aufmerksam werden«, zog der Mann in Schwarz den anderen ein wenig auf, als die Magd wieder fort war.
Der ging nicht darauf ein und tupfte sich mit einem Tuch die schweißnasse Stirn ab. »Hält die Schminke?«
Der Mann in Schwarz nickte. »Seit wann bist du krank?«
»Seit ein paar Tagen.«
»Willst du dich opfern?«
Der andere bedachte ihn mit einem beredten Blick. »Als wir aufbrachen, war sich jeder von uns im Klaren, worin unsere Mission besteht. Und niemand hat gekniffen.«
»Danach habe ich dich nicht gefragt. Ich will wissen, ob du dich behandeln lassen wirst.«
»Vielleicht. Aber wichtiger als mein Leben ist unser großes Ziel. Dafür bin ich auch bereit zu sterben.«
Die Magd servierte den Obstwein, und der neue Gast schien froh, sein Gesicht tief über das Glas beugen zu können. »Aber wie sieht es bei dir aus?«
»Mir geht’s prächtig. Du weißt ja, dass ich immun bin.«
Plötzlich schien der Mann verärgert. »Das hab ich nicht gemeint. Ja, glaubst du denn, dass wir scherzen. Hältst du das alles für einen Witz?«
»Keineswegs.« Der Mann in Schwarz streckte sich. »Aber
auch bei den wichtigsten und gefährlichsten Missionen sollte doch ein wenig Spaß erlaubt sein. Oder bist du anderer Meinung?«
Sein Gesprächspartner antwortete nicht.
Der Mann in Schwarz seufzte und legte dann wieder die Ellbogen auf die Tischplatte. »Ich denke, ich bin ein gutes Stück weitergekommen«, erklärte er.
Der andere spitzte die Ohren. »Nun erzähl schon«, murmelte er, während er sich vorlehnte.
Aufgebrochen war er mit einer vagen Spur, einem flüchtigen Hinweis. Der Weissagung eines Priesters in einem Tempel.
»Ein Halbblut wird kommen, wie die anderen, aber er wird nicht aus unserem Geschlecht hervorgehen. Sein Blut wird sich in Wasser verwandeln, so wie sein Kommen die Wasser der Welt in Blut.«
Lange hatten sie mit Kryss über die Bedeutung dieser Worte gerätselt, den Sinn aber nicht voll und ganz erfasst. Bis ihn zum ersten Mal die Vision überkam.
Es war ein Traum, zwanghaft und immer gleich, der ihn jede Nacht heimsuchte.
Ein friedliches Dorf, Holzhäuser ruhten auf Pfählen in herrlich klarem Wasser. Ringsum Wälder, bewohnt von wunderschönen ätherischen Wesen, die sich zwischen Bäumen
Weitere Kostenlose Bücher