Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Makrat, weit, weit entfernt – aber vergebens. Sie fluchte.
Alles, was vor ihrem geistigen Auge auftauchte, waren wirre Empfindungen, unerträglicher Schmerz, eine Ziegelsteinwand und eine Stimme, die ihr unablässig verkündete: »Ich werde dich holen kommen!«, eine neutrale Stimme, ohne besondere Eigenschaften, körperlos. Kein Anhaltspunkt, der ihr weitergeholfen hätte.
Da kam ihr eine Idee. Sie sprang auf, stürmte aus dem Zelt und rannte zu dem Lagerbereich, in dem die Kranken zusammengepfercht waren. Dort wimmelte es jetzt von Magiern, und irgendeiner würde ihr schon helfen können.
Eigentlich hatte sie während ihres Aufenthalts mit niemandem enger Bekanntschaft geschlossen. Auch wenn das Leid sie verband und eine gewisse Solidarität unter den dort tätigen Helfern spürbar war, hatte sie mit den anderen nur wenige Wort gewechselt. Doch es half nichts: Einem von ihnen musste sie sich jetzt aufs Geratewohl anvertrauen.
Als sie dort eintraf, schnürte ihr, wie jeden Morgen, der Gestank von Blut und Tod augenblicklich die Kehle zu. Es war etwas, woran sie sich unmöglich gewöhnen konnte. Sie
ließ den Blick über die Strohlager schweifen, wo die Kranken in bluttriefenden Verbänden und unter herzzerreißenden Klagelauten ihre letzten Atemzüge taten. Ohne sie wahrzunehmen, schaute sie sich suchend um. Da stand einer. Ein Magier. Jung, die Haut an seinem Arm mit schwarzen Flecken übersät. Schnurstracks ging sie zu ihm hin. An ihrem ersten Tag hatten sie sich gemeinsam um einen Kranken gekümmert. Er hatte sie in allem unterwiesen, was sie wissen musste, und zusammen hatten sie am Lager des Todkranken gestanden und miterlebt, wie dieser sein Leben aushauchte, bevor der Magier ihm dann für immer die Augen schloss.
Dadurch verbindet uns etwas , sagte sie sich, während sie mit großen Schritten auf ihn zutrat.
Der junge Magier bemühte sich, einem Todgeweihten mit einem gewöhnlichen Heilzauber die Schmerzen erträglicher zu machen. Er bemerkte sie, sah aber nicht auf.
»Du kommst heute später«, begrüßte er sie mit matter Stimme.
»Ich brauche deine Hilfe«, kam Adhara sofort zur Sache, und ihr Tonfall schien ihn aufhorchen zu lassen. Sofort hob er den Blick.
Sie erklärte ihm in groben Zügen, was sie von ihm wollte.
»Das darf ich nicht«, sagte er leise. »Das grenzt an Verrat.«
»Es erfährt ja niemand hier … Ich flehe dich an …«
»Ich …«
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Glaub mir, du bist wirklich meine letzte Hoffnung.«
Nun erzählte sie ihm alles, gestand ihm schamhaft, dass sie diesen jungen Soldaten liebte, mehr als sich selbst, und dass sie ihn retten musste, koste es, was es wolle.
»Damit verrätst du ihn«, wandte der Magier ein.
»Mir bleibt keine andere Wahl. Sonst stirbt er«, erwiderte sie unbeirrt.
Der Magier schaute sie eine Weile nachdenklich an. »Also gut«, sagte er dann und lächelte zart. »Also gut.« Adhara konnte sich einen Seufzer der Erleichterung nicht verkneifen.
»Es gibt da allerdings noch ein Problem«, setzte der Magier hinzu.
Und erneut geriet für Adhara die Welt ins Wanken.
»Es ist unverzichtbar, dass derjenige, der die Botschaft erhält, magische Kenntnisse besitzt. Ich erkläre es dir genauer: Der Empfänger sieht zunächst einmal nur eine kleine violette Wolke. Um die Nachricht lesen zu können, muss ein Magier den Rauch auf einem Pergamentblatt bannen.«
»Ach, am Hof gibt es Magier zuhauf. Das wird schon jemand lesen können.«
»Ja, aber wenn das Wölkchen nicht rechtzeitig bemerkt wird, das heißt innerhalb eines Tages, geht die Nachricht verloren …«
»Das ist aber meine einzige Hoffnung.«
»Gut, dann versuchen wir es um die Mittagszeit. Ich bringe alles mit, was ich brauche.«
Sie lächelte ihn an. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Ja, ich kenne noch nicht einmal deinen Namen.«
»Ich bin Lewar«, antwortete er, wobei er das Lächeln erwiderte.
»Danke, Lewar«, wiederholte sie noch mal. Als er aufstand, hielt sie ihn am Ärmel fest. »Ich brauche auch noch einen Drachen.«
Folgende Nachricht wurde abgesandt.
»Amhal ist in Gefahr. Er ist auf dem Weg nach Neu-Enawar, um San zu befreien. Richte das Deinem Vater aus. Er muss ihn aufhalten lassen, aber man soll ihm auf keinen Fall etwas antun.«
Während Lewar die Zauberformeln sprach und die Worte zu Papier brachte, überlegte Adhara, wie gering ihre
Hoffnung war, mit diesem Versuch etwas ausrichten zu können. Was, wenn Amina nicht
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