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Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter

Titel: Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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sich nicht beirren. Und die Diener verbeugten sich und gehorchten.
    So blieb Neor am Eingang des Flures allein zurück und dachte noch einen kurzen Moment nach über diese Anrede, Majestät , und mit welcher Einsamkeit sie ihn erfüllte. Es wäre ihm lieber gewesen, man hätte ihn anders angesprochen, damit diese Würde auf ewig ein Vorrecht seines Vaters blieb. Er hätte nicht geglaubt, dass ihn dessen Tod so tief und so schmerzhaft treffen würde.
    Er rollte vor bis zu den ersten Wachposten. »Ich will den Gefangen sehen. Ihr wisst Bescheid.«

    »Gewiss, Euer Majestät«, antwortete einer der Männer beflissen, nahm einen dicken Schlüsselbund zur Hand und trat dann hinter Neors Rollstuhl.
    »Lass. Das mache ich allein«, wehrte dieser ab und setzte sich schon wieder in Bewegung.
    »Ja, ich … gewiss. Dort hinüber«, antwortete der Wachsoldat eingeschüchtert.
    An langen Reihen verriegelter Türen entlang durchquerten sie den Flur. Hinter jeder saß ein Verbrecher. Doch Neor interessierte sich nur für einen, der ganz am Ende des Ganges gefangen saß.
    Der Wächter steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte auf.
    »Ich werde allein mit dem Gefangenen reden«, erklärte der König.
    »Aber, Euer Majestät, ich weiß nicht, ob …«
    »Genug jetzt, ich will dieses ›Euer Majestät‹ nicht mehr hören«, verlor Neor die Geduld. »Dieser Mann hat zwei Monate lang an meinem Hof gelebt. Da werde ich wohl wissen, wie ich mit ihm umzugehen habe. Also kein Wort mehr: Ich will mit ihm allein sein.«
    Dem Wächter blieb nichts anderes übrig, als sich zu verneigen. Er stieß die Tür auf, und Neor sah den Gefangenen, der sich vor der hinteren Wand einer engen, stickigen Zelle mit Mauern aus Ziegelsteinen abzeichnete.
    Er saß auf einer Holzbank, dem einzigen Einrichtungsgegenstand in dem Loch, und war genauso gekleidet wie an dem Tag, da er so unvermutet am Hof in Makrat auftauchte, war aber mit den Händen auf dem Rücken an die Wand gekettet.
    Neor spürte, wie ihn ein Schauer durchlief. »Geh jetzt«, befahl er der Wache, als er drinnen war.
    »Zu Befehl, Euer Majestät, ich warte draußen. Ruft nur, wenn ich öffnen soll …«
    »Geh!« Neor vernahm ein ergebenes Seufzen vonseiten
des Soldaten, dann fiel die Zellentür ins Schloss. Sie waren allein.
    Eine Weile studierten sie sich schweigend. San lächelte, ein Lächeln, dass Neor mehr erahnte, als tatsächlich sah zwischen dem Bluterguss auf dessen linker Gesichtshälfte und der Schwellung über der Lippe.
    »Schau mal einer an, hätte ich nicht gedacht, dass du dich noch mal persönlich herbemühst.«
    »Mehr Respekt! Ich bin dein König!«
    San lächelte wieder, nun grimmiger. »Ich sehe hier niemanden außer uns beiden. Die Förmlichkeiten können wir uns also sparen.«
    »Das habe ich zu entscheiden …«
    »Sonst …?«, versuchte San, ihn zu reizen. »Schau dich doch an, selbst in Ketten bin ich noch stärker als du«, höhnte er, wobei er sich ein wenig reckte, um mit der Schulter auf den König zu zeigen.
    »Und wenn schon … Du hast nur deinen Körper. Ich aber verfüge über Soldaten, Wachen … Folterknechte …«
    »Bist du sicher, dass ich mich nur auf meine Körperkräfte verlasse?«
    Neor ließ den Blick über die Gestalt vor ihm schweifen. San war das genaue Gegenteil von ihm selbst: stark, gesund, ein echter Krieger. Ein Mann, wie ihn sich sein Vater als Sohn gewünscht und wie ihn das Land der Sonne als König verdient hätte. Ob Learco jemals bei Sans Anblick dieser Gedanke gekommen war? Wie es wäre, einen Sohn wie diesen zu haben?
    Hätte sich mein Vater damals an das Ido gegebene Versprechen gehalten und sich nicht nur um meine Mutter, sondern auch um San gekümmert, säße dieser heute vielleicht auf dem Thron.
    Verärgert über sich selbst, schüttelte er den Kopf. Nein, solchen Gedanken durfte er sich nicht überlassen.
    »Warum weigerst du dich so beharrlich, uns die Wahrheit zu sagen?«, sagte er.

    San lächelte wieder. »Wie kommst du denn darauf, dass ich lüge?«
    »Intuition.«
    »Intuition bringt nichts. Ich dachte, da wären wir einer Meinung. Ist es nicht deine Art, alles nach streng logischen Gesichtspunkten zu beurteilen? Hast du nicht wie ein Schattenkönig, dich allein auf die Kraft der Vernunft stützend, seit langem schon das Reich deines Vaters regiert?«
    »Es gibt noch mehr als die kalte Logik.«
    »Mag sein, aber wie auch immer, du hast keine Beweise gegen mich. Lediglich schwache Indizien. Und auf der Grundlage

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