Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
Nein, das durftest du einfach nicht tun, mich so allein lassen, während meine Großeltern sterben und diese ganze verdammte Welt untergeht? Du warst doch meine Freundin! Aber du hast mich verraten.«
Sicher hätte Adhara sich getroffen fühlen müssen von diesen Worten. Aber so war es nicht. Stattdessen freute sie sich, dass Amina ihre innere Stärke noch nicht ganz verloren hatte. Denn als sie das Zimmer betrat, hatte sie die Prinzessin in dieser teilnahmslosen Haltung und mit ihrem leeren Blick kaum wiedererkannt.
Und ohne auf die Vorwürfe einzugehen, trat sie nun einfach auf das Mädchen zu und nahm sie in den Arm, ganz fest, ließ ihr nicht die Möglichkeit, sich ihr zu entziehen.
»Lass mich los! Ich hasse dich! Ich hasse dich!«, kreischte Amina, während sie sich ihr zu entwinden versuchte. Doch das Schreien ging schon bald in ein Weinen über, und ohne es eigentlich zu wollen, ließ sie ihren Kopf an Adharas Brust sinken und schlang die Arme fest um ihren Hals. Sie hatte ihr so entsetzlich gefehlt in diesen Wochen des Grauens.
»Verzeih mir«, murmelte Adhara.
»Ich hasse dich«, schluchzte Amina immer weiter.
Für lange Erklärungen blieb keine Zeit.
»Hast du meine Botschaft erhalten?«
»Meinst du den Brief?«
»Nein, die magische Botschaft, die ich dir gesandt habe.«
Amina schien verwirrt. Sie schüttelte den Kopf.
»Du würdest sie als violettes Wölkchen wahrnehmen, hat der Magier mir erklärt …«
»Ach das? Dann habe ich mir das doch nicht eingebildet … Ich dachte schon, ich werde langsam verrückt, als ich es die ganze Zeit dort umherschweben sah … Das war eine Botschaft?«
Adhara raufte sich die Haare. Es war zu spät. Niemand im Palast war gewarnt worden.
»Wir müssen zu deinem Vater!«
»Willst du mir nicht erklären, was überhaupt los ist?«
Adhara tat es in wenigen, wirren Worten.
Amina wurde blass. »Soviel ich weiß, wollte mein Vater in den Heerespalast zu San in die unterirdischen Verliese«, murmelte sie mit kaum vernehmlicher Stimme. »Er müsste jetzt gerade dort sein.«
Adhara spürte, wie ihr die Luft wegblieb.
In aller Eile holte sich San sein Schwert, das in der Wachstube aufbewahrt wurde. Der Kerkertrakt war in eine unwirkliche Stille getaucht, doch schon vernahmen sie in der Ferne das Getrappel von vielen Stiefeln über ihren Köpfen.
»Wir müssen uns beeilen«, trieb er Amhal an.
»Du machst einen großen Fehler, Amhal«, versuchte Neor es noch einmal. »Ich weiß nicht, was er dir erzählt hat, aber er ist der Täter.«
»Schweig, verdammt!«, schrie der Jüngling. Er hielt ihm einen Dolch an die Kehle. Noch fester presste er ihn auf die
Haut, bis ein Blutstropfen über die Klinge lief. »Schweig, oder ich töte dich!«
Amhal spürte, wie Neors Adamsapfel an seiner Hand zuckte, wie sein Herz raste. Der Krüppel hatte Angst. Aber auch nicht mehr als er selbst. Amhal spürte die Furcht. Es war so ungeheuerlich, was er da tat.
Wie Blut aus einer Wunde strömte ihnen eine Schar Soldaten entgegen. Mit einem Zauber streckte San sie alle nieder. Brennende Leiber wanden sich schreiend am Boden.
»Komm, weiter!«, rief er Amhal zu.
Sie hasteten die erste Treppe hinauf, wo schon die nächsten Soldaten warteten. Wie eine Furie stürmte San auf sie los.
»Hier ist euer König!«, rief Amhal. »Lasst uns vorbei, oder ich töte ihn!«
Die meisten wichen zurück, wurden deshalb aber nicht von San verschont. Wieder machte er erbarmungslos alle nieder. Dieser Anblick, wie San verletzte, verbrannte, tötete, weckte Amhals eigene Mordlust, die nach mehr Blut, mehr Verderben verlangte. Die Verlockung war fast unwiderstehlich, doch er durfte ihr nicht nachgeben. Auf seinen Armen trug er den König, und um sich in den Kampf zu stürzen, hätte er die Geisel, ihre einzige Fluchtmöglichkeit, zurücklassen müssen.
»Er hat mir alles gestanden, Amhal. Sogar, dass er meinen Vater umgebracht hat«, versuchte Neor weiter, mit rauer Stimme, ihn zur Vernunft zu bringen.
»Sei still! Sei endlich still!«, fuhr Amhal ihn an, mehr um diese entsetzlichen Lügenmärchen zu übertönen, als in der Hoffnung, dass der König tatsächlich schweigen würde. Denn diese Worte rührten an etwas, nährten Zweifel, und er hatte das Gefühl, noch den Verstand zu verlieren. So ganz sicher war er sich nicht, ob er das Richtige tat. Die Bilder, die er jetzt vor Augen hatte – San, der tobend unaufhaltsam voranschritt und alles niedermetzelte -, wurden überlagert von den Szenen
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