Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
dieser Ansicht zu sein und strebte mit großen Schritten auf das Gebäude zu. Indem sie den Saum seines Umhangs ergriff, versuchte sie, ihn zurückzuhalten.
»Hörst du denn nicht? Da braucht jemand Hilfe«, protestierte er.
»Das glaube ich nicht. Sonst wäre schon jemand gekommen, um zu helfen.«
»Aber hier ist doch niemand.«
Adhara trat ganz dicht an ihn heran. »Das glaubst du. Aber hier sind überall Augen, die uns beobachten«, flüsterte sie.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Amhal, fast höhnisch.
»Das spüre ich.«
Der junge Soldat zögerte, doch nur einen kurzen Moment. Dann wandte er sich von ihr ab und hielt wieder zielstrebig auf das Gebäude zu. Widerwillig, und nun fast krampfhaft den Griff ihres Dolches umfassend, folgte Adhara ihm. Drinnen war alles dunkel und die Luft erfüllt von einem ekligen süßlichen Geruch. Unwillkürlich legten beide eine Hand vor den Mund, um den Brechreiz zurückzuhalten. Amhal holte einen Feuerstahl aus der Tasche und entzündete das, was von einer Fackel in einer Ecke übriggeblieben war. Ein alptraumhaftes Bild des Schreckens entstand vor ihren Augen. Die Bänke, die wohl einmal in dem ganzen Raum aufgestellt waren, türmten sich in einer Ecke, und am Boden sah man einige Körper, vielleicht fünf oder sechs, die alle in blutbefleckte weiße Leintücher gehüllt waren und leblos wie Bündel schmutziger Lumpen dalagen. Das Wehklagen erfüllte den ganzen Raum, so als steige es von dem gestampften Lehmboden auf oder komme von der grob gearbeiteten Statue im hinteren Teil des Raumes. Sie stellte einen Mann dar mit langen, im Wind flatternden Haaren, einem Blitz in der einen, einem Schwert in der anderen Hand und gütigen Gesichtszügen.
Wie versteinert verharrte Adhara, die Augen weit aufgerissen und eine Hand vor dem Mund, auf der Schwelle. Kein Zweifel, unter jedem einzelnen Tuch lag ein Mensch, wahrscheinlich tot. Amhal hingegen trat ein und beugte sich zu den Tüchern hinab.
»Nein, bitte, lass uns gehen«, rief sie leise, doch ihr Gefährte schien sie nicht zu hören. Er ruhte nicht eher, bis er herausgefunden hatte, woher das Stöhnen kam.
»Komm mal her!«
Adhara rührte sich nicht, ihre Beine weigerten sich.
Amhal drehte sich zu ihr um. »Komm doch!«
Langsam setzte sie sich in Bewegung, die Augen starr zu Boden geheftet, um die Leichen nicht einmal mit dem Blick zu berühren. Erst als sie neben Amhal stand, wandte sie den Kopf. Auf der Erde, zu ihren Füßen, lag eine Gestalt, vermutlich eine Frau, doch mit dermaßen verzerrten Gesichtszügen, dass sie unmöglich ihr Alter und kaum ihr Geschlecht mit Sicherheit hätte bestimmen können.
Ihr Mund war ein finsterer Schlund, aus dem ein ununterbrochenes Röcheln drang, ein unnatürliches Keuchen, das schon vom Tod kündete. Auf ihrer Stirn perlte der Schweiß, und ihre Haut war mit schwarzen Flecken übersät. Es waren genau solche Flecken, wie Adhara sie bei einem der beiden Männer, die sie angegriffen hatten, gesehen hatte.
Sie wich ein paar Schritte zurück. »Wir müssen hier fort.«
Amhal antwortete nicht.
»Diese beiden, die mich überfallen haben … die hatten auch solche Flecken, und einem ging es ganz dreckig.«
Amhal betrachtete das Gesicht der Sterbenden, ihren gequälten Körper, der Blut auszuschwitzen schien.
»Amhal!«
Endlich rührte er sich. Den Blick weiter starr auf die Frau gerichtet, stand er auf und trat einige Schritte zurück, hin zu Adhara, die rasch seinen Arm ergriff und ihn mit sich hinauszog, nur fort aus diesem Raum.
Sie rannten ins Freie, in die frische Abendluft, zurück zum Plätschern des Flusses und dem Zirpen der Grillen. Wild hasteten sie durch die Dorfstraßen und hatten nur noch eins im Sinn: fort, fort aus diesem Dorf.
Da versperrten ihnen zwei Männer den Weg, mit einem Stock bewaffnet der eine, mit einem verrosteten Schwert der andere.
Beide trugen schon schwarze Spuren auf der Haut. Bei dem einen zeigten sich die Symptome der Krankheit am Hals, bei dem anderen bedeckten die Flecken das halbe Gesicht. Ihre Mienen waren wutverzerrt.
»Wer seid ihr?«
Amhals Hand fuhr zum Schwert.
»Keine Bewegung! Los, antwortet! Wer seid ihr?«, fuhr der mit der rostigen Waffe sie noch einmal barsch an.
»Ihr verbreitet die Seuche, nicht wahr. Ihr seid hier, um uns alle anzustecken!«, sprang ihm sein Kumpan bei.
»Wie die Nymphen … Auch die Nymphen werden nicht krank … Trinkt man ihr Blut, bleibt man verschont«, setzte der erste wieder hinzu.
Der
Weitere Kostenlose Bücher