Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
verlangten nach Bewegung. Ganz zu schweigen von ihrem Geist, der diese eine Stunde am Morgen, wenn er einmal ganz hinter diesem wie eine gut geölte Maschine agierenden Körper zurücktreten konnte, so dringend zur Erholung benötigte. Und darum hatte sie wieder angefangen, sich aber einen neuen Platz gesucht, der verborgener lag, abgeschiedener. Nur wenige aus ihrem Gefolge wussten, wo sie sich aufhielt, für den Notfall, falls sie gebraucht wurde.
Dubhe täuschte einen letzten Überraschungsangriff vor und schloss die Bewegung mit einem Dolchwurf ab. Es war immer noch ihre alte Waffe, jener Dolch, den sie seit sechzig Jahren besaß, ein Geschenk von Sarnek, ihrem Meister, der ihr das Leben gerettet und sie dann in der Kunst des Mordens ausgebildet hatte. Hin und wieder dachte sie noch an ihn, doch ohne die Verzweiflung jener Jahre, als sie ihn noch geliebt und sich schuldig gefühlt hatte an seinem Tod. Jener Schmerz war längst einer süßen Wehmut gewichen, denn die Zeit überzog jedwede Erinnerung mit einer besonderen Patina, mit einem Hauch von Schönheit.
Zielgenau bohrte sich die Dolchspitze in den Stamm des Baumes einige Ellen von ihr, und sirrend vibrierte die Klinge nur um Haaresbreite von einem Mann entfernt, der keuchend wie versteinert dastand.
Mit einem Satz war Dubhe bei ihm. »Warum schleichst du dich so an? Ich hätte dich töten können«, sagte sie kühl, während sie sich daranmachte, den Dolch aus dem Holz zu ziehen.
Der Mann beugte das Knie und senkte das Haupt. »Meine
Königin, Ihr verfehlt niemals Euer Ziel«, antwortete er mit zitternder Stimme.
»Erhebe dich«, fordert Dubhe ihn auf, und er gehorchte.
»Es sieht nicht gut aus«, begann er.
Dubhes Miene verfinsterte sich. »Lass uns gehen.«
Das Hauptquartier, das Dubhe selbst hatte einrichten lassen, befand sich in einem der Kellergeschosse des Palastes. Als eine Art Spiel hatte es begonnen. Während der ersten Jahre als Königin hatte sie sich in ihrer neuen Rolle häufig fehl am Platz gefühlt. Das Leben am Hof, geprägt von Klatsch und zähen Stunden, von einer starren Etikette und protokollarischen Pflichten – all das erdrückte und verwirrte sie. Es fehlte ihr, selbst tätig zu sein, und so war sie nach und nach immer träger geworden.
Bis Learco sie dann auf eine Idee brachte. »Warum beschäftigst du dich nicht wieder mit den Dingen, die dein Leben früher ausgemacht haben? Königin kann man auf verschiedene Weise sein. Du solltest die Rolle so gestalten, wie es dir entspricht, anstatt dich zu etwas zu zwingen, was du gar nicht bist.«
Und so hatte Dubhe beschlossen, eine Art Geheimdienst aufzubauen. So etwas gab es im Land der Sonne noch nicht. Galt es, etwas auszukundschaften, übertrug man diese Aufgabe gewöhnlich bezahlten Spitzeln, die mehr am Geld als an der eigentlichen Mission interessiert und daher wenig zuverlässig waren. Zudem hatte Dohor früher für solche Aufträge die verbündete Gilde der Assassinen herangezogen, nach deren Zerschlagung das Land nun ohne eigentliches Kundschafternetz war.
»Natürlich, wir leben im Frieden, doch der Frieden muss auch erhalten werden. Und gerade in diesen Zeiten ist die Gefahr groß, dass Verschwörungen angezettelt werden«, hatte sie Learco erklärt, um ihm ihren Plan schmackhaft zu machen.
Aber dazu hatte sie sich nicht besonders ins Zeug legen müssen. »Wenn du glaubst, dass es sinnvoll ist, habe ich nichts dagegen.«
Und so hatte sich Dubhe mit Leib und Seele dieser Aufgabe verschrieben. Fast alles lief im Verborgenen ab: die Auswahl der Agenten, der Aufbau des Netzes und auch die Einrichtung des Hauptquartiers, das sie selbst in allen Einzelheiten plante. Es war eine ereignisreiche Zeit, in der sie mehr und mehr aufblühte: Nun bewegte sie sich wieder auf bekanntem Terrain und war gleichzeitig in der Lage, all das sinnvoll einzusetzen, was sie in den Jahren, als sie sich selbst und ihren Platz in der Welt suchend umhergestreift war, gelernt hatte. Ihre speziellen Fähigkeiten, vor denen es ihr lange Zeit selbst gegraust hatte, ließen sich nun zu etwas Noblem nutzen, wie der Bewahrung der Friedens und der Sicherung einer glücklichen Zukunft für ihr Land.
In den ersten Jahren hatte der neue Geheimdienst noch wenig leisten können, und so hatte König Learco darin auch mehr einen etwas exzentrischen Zeitvertreib seiner Gemahlin gesehen. Dann aber hatte ihm Dubhe, als sich im Land des Wassers ein Bürgerkrieg anbahnte, reihenweise wichtige Informationen
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