Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
streckte eine Hand aus. »Dort hinten siehst du jetzt schon die Lichter von Cyrsio. Es ist nur ein kleiner Ort, aber mit einem netten Gasthaus. Ich kenne die Wirtin. Du wirst sehen, es wird ein schöner Abend, und vielleicht hilft dieser Aufenthalt ja sogar deinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
Adhara lächelte. Etwas Magisches lag in der Luft, und vielleicht war nun ja wirklich alles möglich.
Sie folgten einem gespurten Pfad, der nur vom Schein der Mondsichel sowie den flackernden Lichtpunkten der Glühwürmchen zwischen den Bäumen erhellt wurde. Kurz darauf lag das Dorf mit seinen strohbedeckten Holzhütten und einigen Pfahlbauten längs eines Flusses vor ihnen. Wie ein verwunschener Ort inmitten eines Zauberwaldes, dachte Adhara.
Dennoch durchliefen, je näher sie kamen, immer häufiger seltsame Schauer ihre Glieder. Amhal schien es ähnlich zu gehen, denn am Dorfrand angekommen, nahm er das Heft seines Schwertes fest in die Hand.
Es gab ein Eingangstor aus nur grob behobeltem, aber dennoch schön gearbeitetem Holz mit zwei eisernen Fackelhaltern. Eine dieser Halterungen war allerdings abgerissen worden und lag mit den erloschenen Fackeln, die ein düsteres Licht abgaben, am Boden. Amhal blieb stehen und hielt Adhara am Arm fest. Das Zirpen der Grillen erfüllte die Luft. »Da stimmt was nicht.«
Die Fenster einiger Häuser waren dunkel, leer wie leblose Augenhöhlen, andere mit Läden verrammelt.
»Bei meinem letzten Besuch war dieser Ort voller Leben.«
Unwillkürlich schob Adhara eine Hand zum Dolch an ihrem Gürtel. Doch es war alles ruhig, zu ruhig …
Eine Hand fest um das Heft seines Schwertes gelegt, die Klinge gelockert in der Scheide, ging Amhal voran.
Aus dem Dorf drang kein Laut zu ihnen. Die Wege waren verlassen, die Fackeln, die sie erhellen sollten, niedergebrannt oder zu Boden geworfen. Adhara fühlte sich beobachtet. War da nicht jemand, der sie mit den Augen verfolgte und nicht gesehen werden wollte? »Vielleicht sollten wir besser kehrtmachen …«, schlug sie vor.
Amhal antwortete nicht. Er war angespannt, und seine Züge wirkten so konzentriert wie in der Nacht, als er sie gerettet hatte. Umsichtig bewegte er sich, folgte aber ohne Zögern einem Weg, so als kenne er sein Ziel.
Vor einer Schenke blieben sie stehen. Über der Tür hing ein hübsches Holzschild mit dem gemalten Schriftzug: DIE HÖHLE DES … Mehr war nicht zu lesen, denn der Rest des Schildes war verbrannt.
»Wolltest du hier übernachten …?«, flüsterte Adhara. Amhal nickte nur.
Von der Tür war nichts mehr zu sehen, und die Fenster
waren geschwärzt von Rauch und Flammen. Es schien noch nicht lange her zu sein, dass es gebrannt hatte, denn in der Luft lag noch ein beißender Gestank.
Amhal trat ein.
»Vielleicht ist das keine gute Idee …«, versuchte Adhara, ihn aufzuhalten, doch schon tauchte ihr Begleiter entschlossen ins Dunkel ein. Einen Augenblick noch verharrte sie auf der Schwelle, dann folgte sie ihm.
Die Wände des Schankraumes waren tiefschwarz. Auf dem Boden lagen eine dicke Schicht Asche und noch glühende Kohlen. Einige Tische waren weitgehend verschont geblieben und nur umgeworfen worden. Von der Theke aber waren nur noch verkohlte Holzreste übrig, während alle Flaschen und Gläser auf den Regalen zerplatzt waren. Adhara trat ganz nahe an Amhal heran und drückte seinen Arm.
Der angehende Ritter riss sich von dem Anblick los. »Vielleicht hast du Recht, und wir sollten sehen, dass wir hier wegkommen.«
»Dann lieber der Wald«, fügte sie hinzu.
»Ja, dann lieber der Wald.«
So liefen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren, bis sie an einer Stelle abbogen, weil sie glaubten, so noch schneller aus dem Ort hinauszugelangen.
Plötzlich standen sie auf einem kleinen Platz. Zu einer Seite spannte sich eine Holzbrücke über ein dahinplätscherndes Flüsschen. Und gleich vor ihnen erhob sich ein größeres Gebäude, ebenfalls aus Holz, aber doch aufwendiger gearbeitet als die Häuser, die sie bislang gesehen hatten. Der Eingang bestand aus einer zweiflügeligen, mit feinen Ornamenten bemalten Tür und darüber einer Schrift, die Adhara als »Theevar«, »Thiinar« oder so etwas Ähnliches – es war nicht deutlich zu erkennen – las. Einer der Türflügel war nur angelehnt, und aus dem Raum dahinter drang ein tiefes, unausgesetztes Stöhnen. Eiskalte Schauer liefen ihr über den Rücken, und etwas sagte ihr, dass sie sich
schleunigst davonmachen sollten. Amhal schien jedoch nicht
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