Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
brennenden Versteck der Erweckten, gekommen war.
Alles wiederholt sich, dachte sie wieder einmal, wie in einem ewigen Kreislauf.
Die beiden Mädchen hatten bereits eine ordentliche Wegstrecke zurückgelegt. Diese ersten Stunden nach ihrem Ausbruch waren entscheidend, denn es würde nicht lange dauern, bis man nach ihnen suchen würde. War der Brand erst einmal gelöscht, würde Dubhe ihnen unverzüglich ihre Leute hinterherhetzen. Aber das war es nicht allein, was ihr Sorgen bereitete.
»Meinst du wirklich? Sollten wir nicht doch lieber noch weiter laufen?«, fragte Amina, obwohl sie erschöpft und abgezehrt aussah. Und sie wirkte nervös. Sie hatten auf dem ganzen Weg kaum ein Wort miteinander gesprochen.
»So kommen wir ohnehin nicht mehr weit«, antwortete
Adhara, während sie sich ins Gras fallen ließ. »Ich jedenfalls brauche jetzt etwas Schlaf.«
Amina schien einverstanden, denn sie machte es sich, ohne noch etwas hinzuzufügen, ebenfalls bequem, auf einem Umhang, den sie ihrem Quersack entnahm. Außerdem holte sie noch ein Fläschchen hervor, das eine dunkle Flüssigkeit enthielt. Sofort regte sich etwas in Adharas Gedächtnis. Ein Tarntrank , dachte sie. Sie hasste diese unvermittelten Erinnerungen, weil sie wusste, dass sie keiner wirklichen Erfahrung entsprangen, sondern ihr von den Erweckten wie ein Brandzeichen eingepflanzt worden waren. Diese Kenntnisse sollten die Leere ihrer Existenz füllen.
»Sollen wir uns etwa tarnen?«
»Du weißt, was das ist? Dann stimmt es also gar nicht, dass du dich an nichts erinnern kannst.«
»Nein …, ich meine doch … Ich habe darüber gelesen, du weißt schon, in der Bibliothek«, log sie. »Das ist ein Tarntrank. Die Wirkung hält vierundzwanzig Stunden lang an, ein Schluck reicht dafür schon…«
»Ja, ich dachte, das können wir bestimmt gut gebrauchen. Deshalb hab ich mir das Zeug bei einem Agenten meiner Großmutter besorgt.«
»Schön und gut, aber das sind doch höchstens …«, Adhara maß den Inhalt mit kundigem Blick, »… drei oder vier Schlucke für jeden.«
»Wir nehmen eben nur davon, wenn wir in Gefahr sind oder wenn wir erkannt werden könnten.«
Amina hatte tatsächlich alles bis ins Kleinste geplant und legte in allem einen übertriebenen Eifer an den Tag, der Adhara verdächtig vorkam.
Das Mädchen streckte sich auf ihrem notdürftigen Lager aus. »Wir sollten abwechselnd Wache halten, oder was meinst du?«, schlug sie vor.
In dem wenigen Licht des Vollmonds, das bis zu ihnen unter den Bäumen vordrang, versuchte Adhara, den Gesichtsausdruck der anderen zu deuten. »Was hast du eigentlich vor?«, fragte sie.
»Mit dir gehen«, antwortete Amina, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.
Adhara starrte auf ihr Lager aus Farn. Der Wald hatte etwas Gespenstisches. Sie spürte einen Stich im Herzen, das Nachglimmen eines tiefen Gefühls, das nicht erlöschen wollte. »Weißt du denn, was ich vorhabe? Ich werde nach ihm suchen.«
Ihr fehlte der Mut, den Namen auszusprechen. Amhal. Was musste Amina über ihn denken? Schließlich hatte sie mit angesehen, wie dieser Mann ihren Vater getötet hatte und dann mit San geflohen war.
»Gut, da komme ich mit.« Amina hob nur ein wenig den Kopf, um sie anzuschauen. »Macht es dir etwas aus, die erste Wache zu übernehmen?«
Es war offensichtlich, dass sie das Thema wechseln wollte, doch dazu war Adhara nicht bereit. Sie brauchte Klarheit.
»Warum willst du mit mir kommen? Wieso hast du mir zur Flucht verholfen? Und musstest du wirklich gleich das ganze Gebäude in Brand stecken? Schließlich war das dein Zuhause.«
»Das war kein Zuhause mehr. Nichts war mehr so, wie es einmal war«, antwortete Amina knapp. »Ich saß da in meinem Zimmer eingesperrt und konnte mir nur
noch durchs Fenster die ausgestorbene Stadt anschauen. Die Einsamkeit war nicht auszuhalten. Und außerdem konnte ich dich doch nicht in dieser schmuddeligen Zelle versauern lassen. Soll ich dir mal was sagen? Die haben mich alle enttäuscht. Theana, die dich einfach gefangen nehmen lässt und im Kerker einsperrt, meine Großmutter, die nichts dagegen unternommen hat, mein Bruder und meine Mutter mit ihrer sinnlosen Trauer. Nein, das ist nicht mehr meine Familie.«
»So was darfst du nicht sagen. Die lieben dich alle, und das weißt du auch.«
»Ich verstehe wirklich nicht, wieso du sie noch verteidigst nach allem, was sie dir angetan haben.«
Adhara stützte ihr Kinn auf die Knie. »Jetzt sag schon: Warum willst du
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