Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
im Kriegsgebiet eingesetzt. Auch von den Soldaten waren nur wenige im Palast geblieben. Bei normaler Stärke der Wachmannschaften hätte Amina ihren Plan nicht in die Tat umsetzen können.
»Beziehe einige Männer an der Front in die Suche mit ein. Aber ohne die Einheiten allzu sehr zu schwächen. Und schließe dich ihnen an.«
»Zu Befehl, Majestät.«
Der Mann führte die geballte Faust zur Brust, bedachte seine Herrin mit einem entschlossenen Blick und verließ den Raum, wobei er die Tür hinter sich schloss.
Dubhe seufzte. Stück für Stück war ihr Leben in Scherben gefallen, und was sie jetzt noch aufrechterhielt, war nur flammender Zorn. Ihn im Zaum zu halten, schaffte sie nur, wenn sie öffentlich auftrat und Entscheidungen zu treffen hatte. Denn ihr Geist war noch so wach wie immer, und ihre äußere Erscheinung verriet nichts von dem Tumult, der in ihr tobte. Doch wenn sie allein war und nur Stille den Raum erfüllte, konnte sie nicht mehr an sich halten und schrie hinaus, was in ihr loderte.
Auch jetzt schloss sie die Augen und ließ zu, dass ihr der Zorn durch die Adern strömte und sich zu einem verzweifelten, fruchtlosen Wutausbruch steigerte, der sie völlig erschöpfte. Aber etwas anderes war ihr nicht geblieben, als aus tiefstem Herzen zu hassen und nur nach außen eine Ruhe vorzutäuschen, die sie nicht mehr besaß.
Dass ihr Sohn ermordet worden war, hatte sie als Letzte erfahren. In jenen Tagen hatte sie sich im Land des Wassers aufgehalten, wo der Angriff der Elfen gerade begonnen hatte. Eine Blitzattacke, brutal und unerwartet, die ihr Heer nicht nur unvorbereitet, sondern vor allem schon geschwächt getroffen hatte. Durch die Seuche waren die Truppen bereits dezimiert, und überall herrschte Chaos. Ein jeder dachte nur noch daran, seine eigene Haut zu retten, misstraute allen anderen und versuchte, irgendwie zu überleben in dieser wahnsinnig gewordenen Welt.
In den feindlichen Reihen kämpften nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Offenbar wollte man auf keinen Arm, der eine Waffe führen konnte, verzichten, um den Sieg zu erringen. Und als wenn das noch nicht gereicht hätte, ritten sie auch noch diese entsetzlichen Bestien, diese Lindwürmer, die geradewegs aus der Hölle entwichen schienen.
Dubhe hatte sich bemüht, die Truppen zu ordnen. Obwohl nicht zum Heerführer geboren, gab sie alles und war immer dort zu finden, wo sie am dringendsten gebraucht wurde. Angetrieben wurde sie dabei auch von dem Verlangen, nach Learcos Tod im Kampf Vergessen zu finden und im Rausch der Schlacht den Geist von aller Grübelei und allem Schmerz zu befreien. Mitten im Gefecht hatte die Meldung sie erreicht.
Neor war tot. War gestorben, ohne die Mutter an seiner Seite. Und in diesem Augenblick hatte sich diese dumpfe Leere, die sie bis dahin empfunden hatte, in jene unbändige Wut verwandelt, die sie bis heute nicht mehr losließ.
Eilig war sie zurückgereist, um an der Bestattung ihres Sohnes teilzunehmen. Und während sein Leichnam vor dem Hintergrund eines fahlen Himmels auf dem Scheiterhaufen verbrannte, war sie völlig betäubt gewesen, wie in Watte gehüllt, die jede Regung dämpfte, jeden Laut, jede Geste. Sie erinnerte sich nur noch, dass jemand sie stützte, dass sie heulte, bis ihr die Kehle brannte. Und danach hatte sie sich für fünf lange Tage in ihrem Zimmer eingeschlossen.
Später erfuhr sie, dass Kalth in dieser Zeit die Regierungsgeschäfte geführt hatte. Ein Junge von noch nicht einmal dreizehn Jahren hatte sie vertreten, hatte ihr den Rücken freigehalten, damit sie sich ganz ihrer Trauer überlassen konnte. Er war eingesprungen, weil die anderen Männer der königlichen Familie tot waren.
Dubhe verscheuchte den Gedanken daran. Sie musste das hinter sich lassen, anderenfalls würde sie an dieser Grübelei zugrunde gehen. In den fünfzig Jahren an Learcos Seite hatte sie gelernt, immer stark zu sein und sich keine Schwächen zu erlauben.
Nur wenn sie mit ihrem Gemahl allein gewesen war, hatte sie sich zugestanden, nicht die unverwundbare Frau zu sein, die alle kannten. Und nun, da Learco tot war, gab es überhaupt keinen Platz mehr für solche Schwächen. Jetzt war es ihre Pflicht, wieder zu sich zu finden, um dem Andenken ihres Mannes und ihres Sohnes gerecht zu werden, mit anderen Worten, um ihr Volk zu führen.
Als es an der Tür klopfte, schrak Dubhe auf. Sie lockerte den Griff ihrer Finger, die sich um die Armlehnen
des Sessels gekrampft hatten, und atmete tief
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