Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
einer Handbewegung zurück. »Allein.«
Die königliche Hütte unterschied sich nur wenig von denen der anderen Elfen. Im Erdgeschoss war ein kleiner Empfangssaal, mit Teppichen ausgelegt und einem Thron in der Mitte, der mit kunstvollen Intarsien versehen war. Im Stockwerk darüber befanden sich einige abgeteilte Räume, in die Kryss seinen Gast nun führte. Sie betraten eine Art Arbeitszimmer mit einem soliden Tisch in einer Ecke und einer ganzen Reihe von Regalen an den Wänden, in denen sich Pergamentrollen stapelten. Hinter einem halb geöffneten Vorhang erkannte man einen noch kleineren Raum, der nur mit einer Pritsche eingerichtet war. Alles wirkte karg, zu karg für das Gemach eines Königs, eines Königs noch dazu, der den Anspruch erhob, über die gesamte Aufgetauchte Welt herrschen zu wollen.
Kryss nahm Platz und bot Amhal einen Stuhl an. Einige Augenblicke verharrten beide in Schweigen, dann hob der König ruckartig den Kopf. »Ich habe eine Mission zu erfüllen«, begann er, die Augen entflammt von dem Feuer, das Amhal bereits in der Arena aufgefallen
war. »Eine Mission, die mich schon mein Leben lang leitet. Und dabei kommt es mir nicht darauf an, wie viel Blut ich vergießen oder mit welchen Gräueltaten ich mich beflecken muss. Jedes Ziel verlangt einen Preis, und ich bin bereit, ihn zu bezahlen, denn dazu wurde ich erwählt. Nach diesem Feldzug wird man meinen Namen verfluchen, doch mein Volk wird sein Land zurückerobert haben.«
Kryss schwieg einen Moment und lehnte sich auf seinem Sessel zurück.
»Ich weiß, wie man bei euch die Geschichte erzählt«, fuhr er dann fort. »Ihr sagt, wir seien eben fortgezogen, so als hätten wir eine andere Wahl gehabt. Doch ihr wart viele, viele Tausende und habt euch wie die Heuschrecken vermehrt, unsere Ernten verschlungen, unsere Frauen vergewaltigt und unser Land in Besitz genommen. Angestachelt von eurer bestialischen Gier habt ihr uns aus unserem Paradies verjagt und es in eine Hölle verwandelt, die euren tierischen Trieben angemessen war. Erak Maar wurde zur Aufgetauchten Welt, und wir zogen ins Exil.«
Hingerissen lauschte Amhal seinen Worten. Dieser Mann verstand es, andere in seinen Bann zu ziehen, er besaß die Fähigkeit, ihre Herzen zu entflammen, und allein schon weil er sie erzählte, hörte sich seine Geschichte völlig einleuchtend an.
»An der entferntesten Küste der Unerforschten Lande verkrochen wir uns, fristeten dort viele Jahrhunderte ein kärgliches Dasein und wagten es nicht, auch nur daran zu denken, uns das zurückzuholen, was man uns genommen hatte. Ein Leben wie Feiglinge führten die
Elfen bis zu dem Tag, da ich das Licht der Welt erblickte.«
Wieder eine kurze Pause, während derer Kryss’ durchdringender Blick sein junges Gegenüber nicht losließ.
»Man hielt mich für übergeschnappt«, fuhr er dann fort, »mein eigener Vater lachte mich aus, seine verweichlichten, verkommenen Höflinge machten sich lustig über mich. Zehn Jahre reichten mir, um ihn und seinen unfähigen Hof zu stürzen. Ich fasste die vier Stadtstaaten der Elfen zu einem einzigen großen Reich zusammen und bereitete das gewaltige Unternehmen vor, mein Volk hierherzuführen. Es entstammt alles meiner Planung: der Aufbau unserer Heere, die Verbreitung der Seuche, der Überfall … Alles habe ich allein geschaffen, nur durch die Kraft meines Willens und meines großen Traumes. Männer, Frauen und Kinder, mein ganzes Volk begleitet mich auf diesem Kriegszug, damit sie alle meinen Triumph miterleben können. Viele Feinde sind bereits vernichtet, und nichts wird mich aufhalten können, bis alle meine Ziele erreicht sind.«
Im Eifer seiner Rede hatte er sich zu Amhal vorgeneigt und starrte ihn nun mit dem Blick eines Wahnsinnigen an, und der junge Krieger glaubte ihm jedes Wort. Im Bruchteil eines Augenblicks begriff Amhal, dass die Aufgetauchte Welt verloren war.
»Du wirst mir dienen«, fuhr der Elfenherrscher nach einer kurzen Pause fort. »So wie auch San mir dient. Ihr seid Waffen, die die Götter uns Elfen in die Hand gegeben haben. Ich kenne die alten Schriften und kann
dir versichern, dass sie immer falsch gedeutet wurden. Die Marvashs zerstören die Welt nicht. Nein, sie bereiten sie für einen neuen Anfang vor. Sie tilgen, was gewesen ist, und befähigen die Unterdrückten, all jene, die unter dem Joch der Mächtigen litten, das Haupt zu erheben und das an sich zu reißen, was ihnen vorenthalten wurde. Und dazu dient ihr mir: um die Besatzer zu
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