Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Feinde sind weiter vorgerückt, die Front ist näher gekommen. Unser letzter Vorposten vor dem Gebiet, das die Elfen bereits erobert haben, ist ein kleines Flüchtlingslager, aber wenn ich euch einen Rat geben darf: Das ist kein passender Ort für junge Mädchen wie euch«, meinte er.
»Ich suche eine bestimmte Person«, flüsterte Adhara.
Der Bettler verzog die Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln, so als wisse er nur allzu gut, welche Enttäuschung sie erwartete. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du sie noch findest. In Kalima wurden fast alle dahingerafft.«
»Wir müssen es trotzdem versuchen«, erklärte Amina, als sie sich schon von dem Bettler verabschiedet hatten.
»Ja, wir haben keine andere Wahl«, stimmte Adhara ihr zu.
Und so gaben sie nicht auf, marschierten weiter, nur noch getragen von dem Verlangen, so bald wie möglich ihr nächstes Ziel zu erreichen. Das Grauen, das sie auf dem Weg anschauen mussten, wurde immer unerträglicher. Auf Wiesen und Feldern lagen Leichen herum und warteten darauf, dass vielleicht ein barmherziger Überlebender sie zu den Sammelgräbern schaffte. Unter den Toten waren auch Nymphen, die nicht an der Seuche
gestorben, sondern gelyncht worden waren. Offenbar sahen auch weiterhin viele in dieser Rasse den Urheber der tödlichen Krankheit.
Der Himmel zeigte sich seit Tagen nur noch in einem bleiernen Grau, die Luft war kühler geworden. Adhara schaute sich um und dachte daran, wie sie damals, zusammen mit Amhal, staunend die Schönheiten des Landes des Wassers betrachtet hatte. Im Grunde sah alles noch genauso wie in jenen Tagen aus, nur hatte ihr damaliges Leben überhaupt nichts mehr mit dieser niederschmetternden Gegenwart zu tun.
Mechanisch schleppte sich Adhara immer weiter voran, so als fürchte sie, wenn sie stehen blieb, im Nichts zu versinken. Hin und wieder schaute sie zu Amina hinüber, die zielstrebig wie an den ersten Tagen marschierte, weiter umgeben von einer Aura des Schweigens und der Feindseligkeit. Wahrscheinlich ließ sie das Grauen, von dem sie umgeben waren, einfach an sich abprallen. Der Drang, den Mann zu stellen, der ihren Vater auf dem Gewissen hatte, überlagerte alles andere. Manchmal beneidete Adhara die junge Prinzessin um ihr klares Urteil, denn für sie selbst traten Gut und Böse nur noch verschleiert auf und waren kaum mehr voneinander zu unterscheiden.
Wenn nach einem Anfall Adharas Atem wieder regelmäßiger kam und ihre Herzschläge sich beruhigt hatten, blickte sie auf ihre Finger und dachte, dass sie die Zeit maßen, die ihr noch blieb, wenn nichts geschah. Aber auch wenn man ihr helfen konnte, blieb völlig ungewiss, was danach sein würde. Und diese Ungewissheit ängstigte sie mehr als alles andere.
Nachdem sie einige Stunden einem Pfad gefolgt waren, der sich durch den Wald schlängelte, sahen sie mit einem Mal einen Palisadenzaun vor sich. Eine Weile betrachteten sie ihn von weitem und erkannten, dass er nur einen einzigen Durchlass besaß, der von zwei Soldaten bewacht wurde.
»Glaubst du, das ist dieses Lager, das wir suchen?«, fragte Amina, wobei ihre Stimme ein Zittern verriet.
Die Rechnung stimmte. Der Bettler hatte von vier Tagesmärschen gesprochen, und so viele Tage waren seit ihrer Begegnung vergangen. Das konnte nur das gesuchte Lager sein.
Als sie sich draußen noch ein wenig umschauten, fiel ihnen am Zaun das Wappen des Vereinten Heeres auf. Ein Lächeln erhellte ihre Mienen. Sie hatten es endlich geschafft. Rasch nahmen sie einen Schluck von dem Tarntrank und zogen sich anders an. Dann waren sie bereit.
Langsam und betont unbekümmert schlenderten sie auf das Tor zu. Kaum hatte einer der Wachmänner sie ausgemacht, streckte er seine Lanze zu ihnen aus. »Hinlegen!«, rief er.
»Wir kommen in friedlicher Absicht, wir brauchen Hilfe …«
»Hinlegen, habe ich gesagt!«
Adhara blieb stehen, ging in die Knie und zog auch Amina zu Boden.
Die Wache trat auf sie zu und betrachtete sie genauer. »Wer seid ihr?«
Als Adhara den Kopf hob, um etwas zu antworten, wich der Soldat sofort zurück.
»Runter, hab ich gesagt«, schrie er und richtete drohend die Waffe auf sie.
Das Gesicht ins Laub am Boden gepresst, erzählte Adhara, sie seien Schwestern, die aus ihrem Heimatdorf fliehen mussten, um der Pestilenz zu entkommen.
»Wir nehmen hier aber keine Fremden auf«, erwiderte der Mann trocken und wollte sich entfernen.
»Habt Erbarmen, wir brauchen Hilfe. Banditen haben uns überfallen, und wir haben
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