Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
ihre Gesichtszüge wirkten fast heiter. Sie warf sich auf das Feldbett in dem noch leeren Zelt und stieß einen langen Seufzer aus.
»Das war eine gute Idee, hier um Aufnahme zu bitten. Das scheinen wirklich anständige Menschen zu sein. Hast du das mit deiner Hand schon irgendjemandem erzählt?«
Adhara antwortete nicht. Reglos hockte sie am Rand der Pritsche und durchforstete immer noch ihr Gedächtnis auf der Suche nach irgendwelchen Erinnerungen an Kairin und dieses frühere Leben. Doch sosehr sie sich auch bemühte, nichts wollte ans Licht kommen aus dem Dunkel, das sie in sich trug.
»Adhara?« Aminas scharfe Stimme brachte sie in die Gegenwart zurück. »Hörst du mir überhaupt zu? Was ist jetzt? Hast du mit einem Heilpriester über deine Hand gesprochen oder nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. Mit einem Mal war die
Krankheit in den Hintergrund gerückt. Sie hatte gerade etwas Ungeheuerliches erfahren, etwas, das sie mitten in unbekannte Welten hineinführte. Auch sie besaß eine Vergangenheit. Eine Mutter, einen Vater, sogar geliebt hatte sie. Und ein Zuhause, einen Ort, an den sie gehörte. Was mochte diese Elyna wohl für ein Mensch gewesen sein? Hatte sie Ähnlichkeit mit der Adhara, zu der sie geworden war?
»Wann willst du dich denn darum kümmern? Ich nehme an, wir werden nicht allzu lange hierbleiben. Die Front ist nahe, und dort finden wir mit Sicherheit auch San …«
San. Amhal. Auf der einen Seite ihre Gegenwart, auf der anderen Kairin – und mit ihm ein ganzes Leben, von dem sie nichts mehr wusste. Aber noch war nichts geschehen, niemand wusste, wer sie war, und niemand konnte sie erkennen. Denn sie lief ja nicht mit ihrem echten Gesicht im Lager herum.
Aber auch wenn? Würde man mich überhaupt erkennen? Bin ich noch das Mädchen, das Kairin geliebt hat?
» Ich habe mir sagen lassen, wo der Heilpriester sein Zelt hat«, antwortete Adhara zerstreut.
Amina richtete sich auf dem Feldbett auf. »Was ist los mit dir? Du bist so seltsam…«
Adhara bemühte sich um ein Lächeln. »Nichts, gar nichts, ich bin nur ein wenig müde.«
»Du solltest auch mal ein Bad im Bach nehmen. Das Wasser ist zwar kalt, aber man kann herrlich entspannen …«
Adhara nickte und stand auf, wobei sie sich die Kleider glatt strich. Lange war es her, dass sie zum letzten
Mal ein echtes Kleid getragen hatte, und jetzt fühlte sie sich irgendwie unwohl darin. Sie war verwirrt und spürte schmerzlich, dass sie noch weniger als sonst wusste, wohin sie gehörte.
Ich muss erst einmal einen klaren Kopf bekommen.
» In Ordnung, ich nehme ein Bad und bin gleich zurück«, erklärte sie und machte sich auf den Weg zum Wasserlauf.
Nachdem die Feuerkämpferin sich gründlich gewaschen hatte, ging sie zu dem roten Zelt hinüber.
Der Priester war alt, sein Gesicht voller Falten und sein grau-gelbliches Haar schütter. Humpelnd bewegte er sich durch sein Zelt, in dem zwei Stühle vor einem mit Pergamenten und Glasgefäßen vollgestellten Tisch standen.
Neben einer von Holzwürmern zerfressenen Truhe stapelten sich aufgeschlagene Bücher auf dem Boden. Es war eng, und der durchdringende Kräutergeruch kratzte im Hals. Der Mann selbst hatte allerdings, wie Adhara feststellte, wenig von einem Priester. Er trug weder ein langes Gewand noch irgendein Abzeichen, das auf Thenaar hinwies, und darüber hinaus wirkte sein Gesicht auch nicht gerade vertrauenerweckend. Doch Kairin hatte ihr versichert, dass er seine Kunst beherrsche und schon manch einen Schwerkranken auf wunderbare Weise geheilt habe.
So begann er, ihre Hand näher in Augenschein zu nehmen, spreizte ihre Finger und untersuchte mit seinen Schweinsäuglein Handfläche und -rücken. Adhara überkam der Drang wegzulaufen, aber das konnte sie
sich unmöglich erlauben, nicht, nachdem sie Kairin kennengelernt hatte.
»Das sieht brandig aus«, urteilte der Priester schließlich, nachdem er die Hand untersucht und Adhara ihm erklärt hatte, wie sie sich während der Anfälle fühlte, wobei sie versuchte, es möglichst genau zu beschreiben.
»Was bedeutet das, brandig?«
»Dass deine Hand abstirbt.«
Adhara wurde blass.
»Das kann passieren, wenn eine Gliedmaße abgequetscht wird oder eine Wunde sich entzündet. Aber dir tut nichts weh, sagst du?«
Adhara schüttelte den Kopf. »Es kribbelt nur ein wenig, und ich bin ziemlich sicher, dass ich mir die Hand nicht verletzt habe…«
Der Priester unterbrach sie. »Wie gesagt, es sieht brandig aus. Aber ob es wirklich
Weitere Kostenlose Bücher