Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
so ist, weiß ich nicht. Ehrlich gesagt, habe ich solche Male noch nie gesehen. Die Seuche kann es ja nicht sein, weil du diese Infektion schon überwunden hast, und deswegen denke ich: Es wird sich um eine mir unbekannte Krankheit oder irgendeinen Fluch handeln.«
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Adhara überlegte, ob wohl die Erweckten dahintersteckten. Vielleicht hatten diese Fanatiker sie mit irgendeinem teuflischen Siegel belegt, das sie an die Sekte band und zu ihrer Sklavin machte. Oder war das Theanas Werk? Gewundert hätte sie das nicht. Bei dieser Frau musste man mit allem rechnen.
»Wie lange gedenkst du, bei uns zu bleiben?«
Adharas Herz begann, schneller zu schlagen. »Ein paar Tage«, antwortete sie ausweichend.
»Ich muss nachdenken und den Fall noch genauer untersuchen. Leider habe ich nicht viele Bücher hier, aber vielleicht reichen mir die wenigen, die ich mitnehmen konnte, um eine Antwort zu finden. Jedenfalls darfst du die Sache nicht unterschätzen.«
Er erhob sich von seinem Stuhl und bewegte sich zu der Truhe, aus der er ein Glas mit getrockneten Kräutern nahm.
»Bergkraut. Soll das Herz stärken. Wenn du das nächste Mal einen Anfall kommen spürst, nimm ein wenig davon«, erklärte er ihr, während er einige Blättchen in ein Stück Stoff wickelte.
Adhara nahm es entgegen und bedankte sich bei dem Priester mit einer angedeuteten Verneigung.
»Schon gut, schon gut. Das ist ja meine Aufgabe. Seit meine Familie von der Seuche hinweggerafft wurde, habe ich nur noch dieses Lager und die Menschen, die hier wohnen. Leben zu retten, ist das Einzige, was meinem Leben noch einen Sinn gibt.«
Die Hand mit der Arznei an die Brust gepresst, verließ Adhara das Zelt.
Zu Abend aßen die Mädchen wieder in dem Gemeinschaftszelt, in dem sie auch schon das Mittagessen eingenommen hatten. Der Tisch war nicht eben reich gedeckt, aber die Atmosphäre war freundlich und eine allgemeine Verbundenheit spürbar. Ob Waisen, Kranke oder Verwundete, zwischen allen herrschte ein besonderes Miteinander, so als sei dies ein gemeinsames Zuhause
und sie alle Brüder und Schwestern. Eigentlich wurden die Portionen abhängig vom Alter und vom Gesundheitszustand der Einzelnen eingeteilt und ausgegeben, aber der eine oder andere bedachte Adhara zusätzlich mit einem Kanten Brot, das er sich von der eigenen Ration abzweigte. Kairin saß neben ihr.
Adhara fragte sich, ob ihn nicht irgendetwas an ihr an seine verlorene Liebe erinnerte. Ihr selbst war er jedenfalls auf Anhieb besonders sympathisch gewesen, und sie hätte sich sehr über ein Zeichen gefreut, einen Hinweis auf das, was sie füreinander gewesen waren.
Dabei war sie nach allem, was ihr zugestoßen war, eigentlich schon zu der Überzeugung gelangt, gar keine Vergangenheit zu brauchen, und dass ihre einzige Chance darin bestand, nur in der Gegenwart zu leben. Doch nun wurde ihr klar, wie dumm diese Einstellung war. Es waren doch die Erinnerungen, die über Jahre gewachsenen Bindungen, die Liebe zu anderen, die eine Persönlichkeit ausmachten. Sie hingegen war in den zurückliegenden Monaten nur ein Schatten ihrer selbst gewesen. Welch ein Wunder, jetzt zu erfahren, dass alles, wonach sie sich gesehnt hatte, um sie herum bereits bestand.
Nach dem Essen griff ein junger Bursche zu einer alten, verstimmten Laute, und Kairin setzte sich zu ihm; die Kinder versammelten sich im Kreis um sie herum, und viele andere Bewohner des Lagers taten es ihnen nach.
Und so begannen die beiden, eine Geschichte zu singen, eine Geschichte, die Adhara bald als die von Elyna erkannte. Sie sah es in Kairins Augen und hörte es am
Beben seiner Stimme. Hingerissen lauschte sie, versetzte sich in diese junge Prinzessin, die eines Tages in den Wald ging, um Beeren für einen Kuchen zu sammeln, dabei entführt wurde und niemals mehr heimkehrte. Und da erkannte sie in der Vergangenheit, die sie quälte, den Schlüssel für ihre Gegenwart. Als das Lied verklungen war, nahm sie allen Mut zusammen, ging zu Kairin und fragte ihn ohne Umschweife.
»Liebst du sie noch?«
Erstaunt blickte er sie an.
»Deine Verlobte, meine ich, liebst du sie noch?«
Eine Trauerfalte durchzog die Stirn des Jünglings. »Ja, natürlich«, antwortete er.
»Und wie wäre es, wenn sie zurückkehren würde?«, setzte Adhara mit erstickter Stimme hinzu.
Kairins Gesicht verzog sich zu einer vorwurfsvollen Miene. »Sie ist tot«, sagte er leise.
»Ich weiß, es klingt absurd … Verzeih mir, ich wollte
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