Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
entsetzt fest, dass es fast leer war. Bis auf einen Finger hoch oder wenig mehr. Sie spürte, dass es nicht reichen würde.
»Verflucht«, knurrte sie und schlug vor Wut mit der Faust auf den Boden. Was hatte es genutzt, ihr Leben
aufs Spiel zu setzen, wenn es jetzt an dieser Zutat fehlte, die Adrass wirklich heilen konnte?
Da fiel ihr etwas ein. In allen Einzelheiten hatte sie wieder die Szene vor Augen, als Amhal ihr in den Finger gestochen und ihn zusammengepresst hatte, bis ein großer runder Tropfen Blut hervortrat und ihre Haut benetzte. Auch Amhals Lippen spürte sie wieder, die Wärme, die sie bei deren Berührung überkommen hatte.
Du besitzt Nymphenblut .
Einen Moment lang verlor sie sich in dieser Erinnerung, und es war ein Gefühl wie nach Hause zu kommen. Dann riss sie sich davon los. Diese Zeiten waren unwiederbringlich vorbei, und der Amhal von damals lag irgendwo begraben, verschüttet unter jenem gefühllosen Wesen, das sie vor kurzem fast umgebracht hätte. Solchen Fantasien nachzuhängen, war jetzt nicht die Zeit. Sie musste Adrass retten.
Sie warf einen Blick auf ihre Wunde. Das Blut, das sich dort gesammelt hatte, sollte sie besser nicht verwenden. Möglicherweise war es verunreinigt vom Speichel dieses Ungeheuers, und bei einer Reaktion mit dem Mittel wären die Folgen unabsehbar gewesen.
So zog sie ihren Dolch hervor. Die Klinge funkelte im matten Schein der Leuchtkugel, die sie hatte entstehen lassen. Sie wählte den linken Arm mit der befallenen Hand, die mittlerweile fast völlig taub war. Die Flecken lugten nun unter dem Verband hervor und zogen sich über das Handgelenk schon ein Stückchen den Unterarm hinauf. Nur beim verzweifelten Kampf gegen das glitschige Ungeheuer in der anderen Höhle hatte sie diese Gliedmaße noch einmal als Waffe einsetzen können.
Sie atmete tief durch, setzte die Klinge an, presste sie auf die Haut und schnitt hinein. Dann hielt sie den Arm über das Gefäß mit all den anderen Ingredienzien und ließ das Blut Tropfen für Tropfen hineinrinnen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel sie brauchte. Wahrscheinlich eine ganze Menge. Amhal hatte ihr nämlich gesagt, dass der Nymphenanteil in ihrem Blut gering sei. Deswegen wartete sie geduldig und versuchte dabei, das Schwindelgefühl, das sie befiel, in den Griff zu bekommen. Ob das nicht alles ohnehin schon zu spät war, fragte sie sich. Denn dort unter der Erde hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren, wie in einer ewigen, mondlosen Nacht.
Als das Gefäß halb voll war, stellte sie es auf dem Boden ab und stoppte den Blutfluss mit den Binden, die Adrass für ihre Hand benutzt hatte. Dort wurden sie nicht mehr gebraucht. Das Fleisch war tot, und sie spürte es nicht, wenn sie es berührte. Eine ganze Weile hatte sie sich das Voranschreiten ihrer Krankheit nicht mehr genauer angeschaut, und jetzt kam sie nicht umhin, festzustellen, dass sich der Zustand verschlechtert hatte. Die Adern sahen wie ausgetrocknet aus, die Haut war aufgesprungen, und die Gelenke und Knochen darunter zeichneten sich erschreckend deutlich ab. Als sie die Finger zu krümmen versuchte, bewegten sie sich kaum und schlossen sich erst nach einer Weile mühsam zu einem schwachen Griff.
Ich habe die Hand verloren , dachte sie bestürzt. Da wurde sie auf ein tropfendes Geräusch aufmerksam und stellte fest, dass aus der Wunde immer weiter Blut hervorquoll. Rasch zog sie den Verband fester an, in der Hoffnung,
es möge reichen, sonst würde sie den Blutfluss vielleicht mit einem Heilzauber stoppen müssen. Schließlich gab sie noch das wenige Nymphenblut aus Adrass’ Fläschchen in das Gemisch, und der Trank war fertig.
Damit näherte sie sich nun dem Körper, der keuchend am Boden lag, und hob Adrass’ Kopf an. Weich fühlte sich sein Fleisch an, fast so, als löse es sich langsam auf. Auch die ersten Flecken waren bereits zu sehen, noch ziemlich hell, aber es würde nicht lange dauern, bis sie so schwarz wie Ruß geworden wären.
»Adrass«, sprach sie ihn an. Keine Antwort. »Adrass, ich brauche deine Mithilfe. Ich bin durch die Hölle gegangen, um dich zu retten, und ich weiß selbst nicht genau, was mich dazu getrieben hat. Aber du musst jetzt aufwachen. Sonst kann ich dich nicht behandeln.«
Adrass bewegte nur leicht den Kopf und schlief weiter. Da versetzte ihm Adhara ein paar Ohrfeigen.
»Los, komm schon, verflucht, komm zu dir!«
Endlich schlug er die Augen auf. Sie waren verschleiert, der Blick leer. »Adhara …«, murmelte er
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