Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Auftragsmörderin bei ihm in die Lehre gehen zu dürfen. Jetzt verstand sie ihn, weil sie in einer ähnlichen Lage war. Was in ihr selbst damals vorgegangen war, daran erinnerte sie sich noch gut, und sie fragte sich, ob es für Amina ähnlich war: dass sie ihren letzten Rettungsanker darstellte. Zwar war ihre Enkeltochter mit Sicherheit nicht so allein und verzweifelt, wie sie es damals gewesen war, hatte aber bereits in die gleichen Abgründe geschaut. Dubhe fühlte eine ungeheuere Verantwortung, die sie niederdrückte.
Wie immer beschloss sie, zunächst im Kampf Vergessen zu suchen. Größer noch als zuvor war ihr Einsatz an der Front, was ihr aber leider keine große Hilfe war. Die Ernüchterung aufgrund ihres eigenen körperlichen Niedergangs verstärkte sich noch in diesen zwei Tagen, nicht zuletzt, weil es auch noch zu einem misslichen Zwischenfall kam.
Sie hatte die Aktion bis ins kleinste Detail vorbereitet.
Es ging um einen Sabotageakt in einem feindlichen Militärlager im näheren Umkreis. Und sie beschloss, selbst daran teilzunehmen. Sie hatte eine Schar ihrer besten Soldaten zusammengestellt, mit der sie in der Dunkelheit aufbrach, um ganz überraschend zuschlagen zu können. Ihre eigene Aufgabe sollte es sein, die Wache abzulenken. Keine große Sache, schon Dutzende Male vorher hatte sie Ähnliches getan, denn es ging nur darum, den Wachsoldaten zu überlisten und außer Gefecht zu setzen. Es war alles genau geplant, und im Grunde konnte nichts schiefgehen.
Ihre Männer hatten alle schon die verabredeten Positionen eingenommen, und sie war allein mit einem ganz jungen Soldaten. Sie hob einen Stein auf und warf ihn ins nächste Gebüsch, woraufhin die Wache, wie erwartet, aufschreckte und sich suchend umblickte. Es dauerte nicht lange, bis der Mann das Nächstliegende tat: Er bewegte sich in die Richtung, aus der er das Geräusch gehört hatte. Dubhe bereitete sich zum Angriff vor. Sie würde den feindlichen Soldaten von hinten am Hals packen, zu Boden reißen und ihm dabei die Klinge über die Kehle ziehen. Eine genau berechnete kurze Bewegung, und schon hätten sie freie Bahn.
Sie sah, wie er auf sie zukam, sich bückte und in nächster Nähe das Gebüsch abzusuchen begann. Da sprang sie aus ihrem Versteck hervor. Doch es kam anders als gedacht. Vielleicht war sie zu laut, vielleicht aber auch nicht schnell genug, jedenfalls entglitt ihr der Elf, als sie ihn packen wollte. Er schrie auf und rannte zum Lager. Es half auch nichts mehr, dass sie ihm nachsetzte und ihn mit einem gezielten Stoß ins Kreuz, der
ihm die Lunge durchbohrte, niederstrecken konnte: Der Feind war alarmiert, und ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihr Vorhaben aufzugeben und sich zurückzuziehen.
Einen ganzen Tag grübelte sie über diesen Vorfall nach. Wieder war ihr deutlich geworden: Ihr Körper war lange nicht mehr so flink, ihr Griff nicht mehr so eisern wie in früheren Zeiten.
Ich bin keine Kriegerin mehr. In der Schlacht bin ich zu nichts mehr nütze .
Dieser Gedanke ließ eine gewaltige Wut in ihr aufkommen, und die Enttäuschung über ihre körperlichen Beschränkungen setzte ihr mehr zu, als es für eine Feldherrin wie sie gut sein konnte.
In diesen Tagen wurde das Lager wieder mit frischen Vorräten beliefert. Einmal im Monat trafen Händler bei ihnen ein, die Waren von Neu-Enawar herbeischafften. Sie brachten Nachschub an Proviant, Waffen und auch Soldaten, soweit überhaupt noch wehrtaugliche junge Männer zu finden waren. Am Morgen, während Dubhe die Verteilung der Lebensmittel überwachte, sah sie ein bekanntes Gesicht. Ein Gesicht, das unmittelbar aus ihrer lange zurückliegenden Vergangenheit aufzutauchen schien. Diese langen, zu Zöpfen geflochtenen Haare und die gebräunte, von der Sonne gegerbte Haut machten ihn unverwechselbar. Sie trat von der Seite auf ihn zu und tippte ihm auf die Schulter.
»Tori …«, sagte sie. Der Gnom, der zu jener Zeit mit Elixieren und Giften gehandelt hatte, als sie in Makrat als Einbrecherin über die Runden zu kommen versucht hatte, war wirklich immer noch der Alte.
Allerdings brauchte er eine Weile, bis er sie erkannte. »Meine Königin …«, stammelte er schließlich und strahlte dabei über das ganze Gesicht.
Sie setzten sich in Dubhes Zelt zusammen und unterhielten sich lange über frühere Zeiten. Fünfzig Jahre waren seit ihrem letzten Treffen vergangen, aber es kam ihnen so vor, als sei es erst gestern gewesen.
»Als ich Euch damals an König Learcos
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