Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
oder sie werden mich töten.« Sie fühlte sich schlecht wegen dieser Worte, an die sie nicht glaubte, aber sie musste unbedingt allein losziehen, weil sie Amhal sonst nicht würde retten können. Jeder andere würde alles dafür tun, ihn zu töten.
Die Versammlung wurde aufgelöst, und gemächlich schritten alle zu ihren Kammern. Am nächsten Morgen würde sich jeder wieder auf den Weg dorthin machen, wo er am dringendsten gebraucht würde. Auch Adhara ging zu der Unterkunft, von wo aus sie am nächsten
Morgen zur Front aufbrechen würde, als sie plötzlich eine Hand auf ihrem Unterarm spürte. Es war Shyra, die mit angespannter Miene zu ihr getreten war.
»So gehst du in den sicheren Tod«, kam sie gleich zur Sache. »Warum hast du den Rat belogen?«
Adhara ergriff ihre Hand und zog sie mit sich ins Freie hinaus. Sie gelangten zur Bastei, über die ein kalter, trockener Wind fegte. Der Mond verbarg sich hinter einer dichten Wolkendecke.
»Ich habe meine Gründe. Die ganze Wahrheit würde nur Unruhe stiften«, beantwortete sie jetzt erst Shyras Frage. »Aber ich dachte, du wüsstest Bescheid und hättest begriffen, was ich vorhabe.«
Shyra blickte sie lange an. »Wie ich darüber denke, habe ich dir schon gesagt«, antwortete sie.
»Eben. Und so wie du denken viele, oder wahrscheinlich alle. Aber ich bin die Sheireen und weiß, was ich zu tun habe. Ich werde diese Welt retten, aber so, wie ich es für richtig halte.«
»Ich bin nicht hier, um dich daran zu hindern.«
Adhara blickte die andere fragend an. »Und warum dann?«
»Weil ich mit dir kommen werde.«
29
Der Beginn
N eu-Enawar war auf den Angriff vorbereitet. Seit Amina mit dem Leichnam der Königin aus dem Land des Windes zurückgekehrt war und ihre aufrüttelnde Rede gehalten hatte, hatten sich alle Bewohner für einen neuen Kampf gerüstet.
Von den Zinnen der Stadt aus konnte man erkennen, wie das feindliche Heer heranrückte, eine schwarze Linie am Horizont, zunächst noch schmal, wurde sie immer breiter. Die unausweichliche Bedrohung kam näher und näher, verbreitete unter den Bewohnern der Stadt aber nicht mehr einen solchen Schrecken, wie es noch zu Beginn des Krieges der Fall gewesen wäre. Nach dem, was im Land des Windes geschehen war, nach der Seuche, vor allem aber nach Aminas Heldentat schien für Angst kein Platz mehr zu sein. Der Blick in den Abgrund hatte die Menschen frei gemacht: Der Tod war zum alltäglichen Begleiter geworden und wirkte daher weniger entsetzlich als in früheren Zeiten, als er allen noch so fern gewesen zu sein schien.
Und doch kam der Angriff schnell. Als sich abends
alle zum Schlafen niederlegten, war Kryss noch weit fort, und die Rauchschwaden seines Lagers waren am Horizont kaum auszumachen.
Am nächsten Morgen wurden die Bewohner der Stadt von lautem Donnern geweckt. Die Feinde brachen mit einem Rammbock das Tor auf. Die Elfen standen vor der Stadtmauer. Aber die Menschen in den noch freien Ländern waren bereit, sie gebührend zu empfangen.
Amhal betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Das hatte er schon sehr lange nicht mehr getan, denn mit seinen menschlichen Gefühlen war ihm auch diese Form der Selbstvergewisserung verlorengegangen. Sich anzusehen hatte keinen Sinn mehr, weil sein Körper nur noch eine leere Hülle war.
Doch an diesem Morgen schaute er sein Spiegelbild lange an. Wie seit Tagen schon war ihm das Herz beim Aufwachen schwer. Seine Gefühlskälte erwachte nicht gleichzeitig mit seinem Körper, und in der Nacht belastete ihn ohnehin ein ganzes Bündel von Leidenschaften und quälenden Gefühlen. Vor allem aber die unerträgliche Erinnerung an sie. Er hatte es aufgegeben, sich selbst etwas vorzumachen. Die Erinnerung an die Sheireen war für ihn gleichzeitig entsetzlich und wunderbar süß. Aus dem schwarzen Loch seiner Seele stiegen immer mehr Erinnerungsfetzen an die Oberfläche auf: Dann wusste er wieder, wie weich ihre Lippen waren, wie herrlich das Gefühl ihrer Haare zwischen seinen Fingern, und wie es seine Sinne aufgewühlt hatte, als er sie damals berührt hatte, an jenem fernen Abend, als
er sich zurückziehen musste, weil ihn die Leidenschaft sonst überwältigt hätte.
Er wollte sie zurück.
Er begehrte sie mit allen Sinnen.
Das war die einzige Wahrheit, die ihm geblieben war. Lange hatte er versucht, diese Erkenntnis zu verleugnen, doch nun stand sie ihm mit niederschmetternder Eindeutigkeit vor Augen.
Aus dem Spiegel blickte ihm ein mitgenommenes Gesicht mit tiefen
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