Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
unerträglich.
Das war der Krieg. Krieg, wie er in Sagen besungen wurde, Krieg, dem Nihal sich verschrieben hatte, Krieg, wie ihn Kinder in Friedenszeiten nachspielten, wenn sie sich durch die Gassen der Städte jagten. Doch tatsächlich hatte der Krieg nichts Heroisches. Nichts Erhabenes war an diesen erbärmlichen Schreien, den verstümmelten, nur noch aus Schmerz bestehenden Körpern.
Wie eine Maschine bewegte sich Adhara zwischen den Reihen und versuchte, nur noch daran zu denken, was sie in Kürze wagen wollte. Auch wenn das Grauen sie fast überwältigte, ließ ihr Körper nicht davon ab, seine Pflicht zu tun. Sie hatte einen sehr weiten Weg zurücklegen müssen, bis sie sich als vollständige Person begreifen konnte, doch in diesem Getümmel kam sie sich wieder nur wie eine Waffe vor. Letztendlich konnte sie ihr wahres Wesen nicht verleugnen: Die Erweckten hatten sie geschaffen, damit sie im Kampf ihre wahre Erfüllung fand, und sie beugte sich jetzt diesem
Befehl, den man ihr mit ihrer Erschaffung eingegeben hatte.
Shyra neben ihr kämpfte wie eine Furie. Einen Tanz des Todes führte sie auf, unablässig zischte ihre Streitaxt durch die Luft, beschrieb todbringende Bögen, wirbelte den Schnee auf, der lautlos fiel. Doch obwohl beide vom Gefecht ganz eingenommen waren, verloren sie ihr eigentliches Ziel nicht aus den Augen. Bisher allerdings war von San und Amhal nichts zu sehen. »Sie müssten aber hier auf dem Schlachtfeld sein, sie sind doch Kryss’ stärkste Waffe«, keuchte Shyra in einer kurzen Kampfpause.
»Was willst du damit sagen?«
»Das hier irgendetwas nicht stimmt«, antwortete die Elfe grimmig.
Die mit Kapuzen maskierten Männer waren mittlerweile vor der Stadtmauer eingetroffen. Der Befehl war klar: Sie sollten einen bestimmten Abschnitt der Bastionen von Neu-Enawar abriegeln. Koste es, was es wolle.
»Ist es hier?«, fragte Kryss.
San tastete zwischen den Steinen der Mauer herum. »Ja, hier müsste es sein«, antwortete er dann und machte einen Schritt zur Seite.
Zögernd trat Amhal vor. Von ihm stammte der Hinweis. ›Ich kenne da einen Durchlass, den die Rekruten häufig benutzen, um nach Lust und Laune die Stadt verlassen und betreten zu können. Es ist nur ein enger Gang für undisziplinierte, junge Soldaten, die nach draußen wollen, um dort vielleicht ihre Liebste zu treffen. Durch den Gang können sie heimkehren, wenn es
schon dunkel ist.‹ So hatte er gesagt, als sie gemeinsam den Einsatz planten. Doch jetzt bremste ihn etwas, etwas Undurchschaubares, das sich in seiner Brust rührte. Er legte die Hände an den Stein, aber er zögerte.
Da stieß San ihn zur Seite. »So viel Zeit haben wir nicht«, knurrte er.
Er brauchte nur zu drücken. Eine Geheimtür drehte sich auf und offenbarte einen finsteren schmalen Durchgang.
Kryss kicherte. »Bitte, nach euch«, sagte er.
Shyra lief die ganze Stadtmauer entlang und streckte jeden Feind nieder, der sich ihr entgegenstellte. Sie schien unaufhaltsam, so als brenne in ihr ein inneres Feuer, das ihr unerschöpfliche Kräfte verlieh. Adhara konnte kaum mit ihr Schritt halten.
»Ich habe nicht genau verstanden: Wonach suchen wir eigentlich?«, keuchte sie, als sie einen kurzen Moment innehielten.
»Kryss will immer kämpfen. Das ist seine Natur. Er ist kein Feldherr, der aus der Ferne den Verlauf der Schlacht verfolgt, er mag es, Seite an Seite mit seinen Leuten das Schwert zu schwingen. Aber heute lässt er sich nicht blicken, und auch San und Amhal, die besten Krieger seiner Armee, scheinen nicht mit dabei zu sein. Außerdem hat er es zugelassen, dass sein Heer von hinten überrascht wurde und zwischen zwei Fronten geriet. Glaub mir, solch ein Anfängerfehler passt nicht zu ihm. Nein, wenn du mich fragst, ist das alles Absicht: Das ist eine Falle oder zumindest ein Ablenkungsmanöver.«
Adhara lief ein Schauer über den Rücken.
»Glaubst du, die stecken irgendwo anders?«
»Ja, ich glaube, dass sie einen Plan haben, einen Plan, um heimlich in die Stadt zu gelangen. Überleg doch mal: Wenn er ein Gebiet erobert hat, kann er dort auf einen Schlag alle töten, die keine Elfen sind.«
»Aber Neu-Enawar hat er noch nicht erobert«, erwiderte Adhara.
»Wer weiß«, murmelte Shyra, wobei sie ihr einen ahnungsvollen Blick zuwarf.
Das nicht! Nicht das schon wieder! Adhara hätte es unmöglich ertragen, noch einmal mit anzusehen, wie mit einem Wimpernschlag Tausende von Menschen ausgelöscht wurden, so als hätten sie nie
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