Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Rändern um die leidenden Augen entgegen. Er wusste noch, dass er eigentlich anders aussah. Doch die langen Monate auf dem Schlachtfeld hatten ihn verändert und geprägt. Mitten auf seiner nackten Brust funkelte das Amulett, dessen Licht im Rhythmus seines Herzens pulsierte, eines Herzens, das weiterhin von nicht zu unterdrückenden Leidenschaften bewegt wurde und nach wie vor Nacht für Nacht blutete.
Mit den Fingerspitzen umfasste er die Ränder des Amuletts und zog daran. Es bewegte sich nicht. Die feinen metallenen Tentakel verankerten es fest in seiner Brust.
Auch das war nicht stark genug, noch nicht einmal die Magie eines Königs hat es vermocht, mir die Gedanken an sie und die Schuldgefühle aus der Seele zu reißen.
Er wusste, dass er gleich wieder alles vergessen würde. Die Unempfindlichkeit würde über ihn kommen und ihm wie ein Balsam Ruhe schenken, so dass er wieder für einen ganzen Tag der Marvash sein konnte. Obwohl es in letzter Zeit sogar häufiger vorkam, dass ihn die Gefühle tagsüber in der Schlacht heimsuchten,
oder, noch schlimmer, danach. Das Grauen vor dem, was er da tat, begleitete ihn, jenes Grauen, das in all den Jahren seiner Jugendzeit immer bei ihm gewesen war, bis zu dem Tag, als er Neor tötete. Damit war die Kluft zwischen dem, was er bis dahin war, und dem, was bald schon sein würde, unüberbrückbar geworden.
Heute konnte er nicht mehr töten, ohne daran zu denken, schaffte es nicht mehr, mit vollkommener Gleichgültigkeit Leben auszurotten. Die Erinnerung an das Geschehen im Land des Windes hatte sich in seinen festen Panzer der Unempfindlichkeit eingeschlichen, fraß immer tiefere Löcher hinein und ließ ihn vor Entsetzen erschaudern. Noch gelang es ihm immer wieder, diese Gefühle im Zaum zu halten. Aber wie lange noch?
Am schlimmsten war, dass er sich danach zu sehnen begann, wieder fühlen zu können. Zu fühlen, dass es sie gab und was sie ihm einst bedeutet hatte. Und auch den Schmerz und die Schuld zu fühlen. Wieder leben zu können, egal, wie quälend es sein mochte.
San hatte ihm immer wieder gesagt, dass er auf dem richtigen Weg sei. Dass er sich langsam in sein wahres Wesen einfinden und dann nicht mehr mit Schmerz, sondern nur noch mit Lust töten würde, vernichten, massakrieren. Aber wieso kam ihm dann heute die süßeste Frucht, von der er in seinen achtzehn Lebensjahren gekostet hatte, diese Gefühllosigkeit, die ihm Kryss geschenkt hatte, so bitter vor?
Plötzlich wurde der Zelteingang auseinandergeschoben. Es war San.
»Es geht los. Kryss wird in Kürze Richtung Stadt aufbrechen, und wir begleiten ihn.«
Amhal nickte. »Ich mache mich fertig und stoße dann zu Euch.«
San nickte und verschwand.
Endlich. Jedes Gefühl verflog, das Bewusstsein seiner selbst verblasste und machte allein dem Willen zu gehorchen Platz. Der Marvash kehrte wieder, und Amhal, der Amhal früherer Zeiten, zog sich zurück. Bald blieb nur noch eine vage Erinnerung an sie, wie ein süßer Duft, der noch eine Weile in der Luft liegt, obwohl seine Quelle bereits verschwunden ist.
Adhara.
Er sprang auf, ergriff seinen Beidhänder und umfasste das Heft mit aller Kraft. Die Unsicherheit war verschwunden.
Es war Zeit. Die Schlacht rief.
Adhara kleidete sich wie gewohnt. Den Gedanken an eine Rüstung hatte sie verworfen, war sie doch überzeugt, dass sie ihre Beweglichkeit einschränken würde. Das Schwert, zu dem sie griff, war für die ersten Kampfphasen gedacht, wenn sie sich einen Weg durch die feindlichen Reihen würde bahnen müssen, um Amhal zu suchen. Doch worauf es eigentlich ankam, war der Dolch. Langsam, fast wie eine Reliquie hob sie ihn auf und befestigte ihn sorgfältig seitlich am Gürtel.
Die Erde bebte, die Luft hallte von Schreien wider, ein süßlicher, ekelerregender Geruch hatte sich ausgebreitet. Der Geruch des Todes. Es war Krieg.
Sie verließ ihr Zelt, um Shyra abzuholen. Zusammen waren sie in der Dunkelheit auf Jamilas Rücken hierhergeflogen.
Shyras Soldaten würden später, zusammen mit weiteren Truppen der Aufgetauchten Welt, an der Front eintreffen.
Sie hatten sich den bei Neu-Enawar aufgestellten Bataillonen angeschlossen. Ursprünglich waren nicht sehr viele Soldaten in der Stadt stationiert gewesen, doch als sich die Kunde verbreitete, dass Kryss als Nächstes die Hauptstadt des Großen Landes einnehmen wollte, hatte es regen Zulauf von Freiwilligen gegeben. Adhara und Shyra hatten sich unter sie gemischt und gewartet. Bis zu diesem
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