Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
das Schicksal des Einzelnen entschieden. Ihre eigenen Geschicke waren jedenfalls immer durch das Tun von Personen, zumeist Menschen, die bestimmte Dinge bezweckten, bestimmt worden. Menschen waren die Erweckten gewesen, die sie geschaffen hatten, ein Mensch war Amhal, der ihr einen Namen gegeben hatte, und ebenso auch Adrass, der auf zweifache Weise ihr Vater wurde: zum einen, indem er totes Fleisch zu neuem Leben erweckte, zum anderen, indem er sie vor dem Schwert des Marvashs rettete und dafür mit dem eigenen Leben bezahlte. Doch nun schien tatsächlich alles Teil eines höheren, vielleicht göttlichen Planes zu sein. Von einem Traum geleitet war sie zu Shyra in diese Grotte gelangt, und die Priesterin, die ihr in diesem Traum erschienen war, trug das gleiche rote Amulett wie
Amhal auf der Brust. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass das explodierende Portal sie ausgerechnet an den Ort geschleudert hatte, wo sich ihr vielleicht die Möglichkeit bot, für immer das Siegel zu brechen, das für die verheerende Seuche in der Aufgetauchten Welt verantwortlich war. Es passte alles zusammen. Dann waren es also doch die Götter gewesen, die sie in diese Grotte geführt hatten, die ihre irdische Existenz auf eben dem Weg begleiteten, auf dem sie unausweichlich wieder auf Amhal stoßen würde?
Das Licht, das durch das runde Fensterchen einfiel, warf einen unregelmäßigen Lichtkreis an die Höhlendecke. Die Wellen ließen ihn flackern und zeichneten so fantastische Gestalten auf das Felsgestein. Adhara bemühte sich, eine Botschaft darin zu entdecken, ein Zeichen, das ihr zu erkennen half, wie sie weiter vorgehen sollte. Und während sie versuchte, zwischen all dem, was sie erlebte, die Verbindungen zu knüpfen, schlief sie ein.
Immer deutlicher tauchte die Gestalt aus der Finsternis auf. Zunächst sah Adhara nur das Amulett, das wie ein pochendes, blutrotes Herz auf ihrer Brust prangte. Von diesem unheimlichen Kern ausgehend, nahm nun auch alles andere Form an. Es war das erste Mal, dass Adhara Lhyrs Gesicht erkennen konnte.
Ihre Züge waren sanft, doch auch wie von einer inneren Qual verzerrt. Sie hatte helle violette Augen und glattes, grün glänzendes Haar, das ihr bis über die Schultern fiel. Bekleidet war sie mit einem weißen Gewand, das auf der Höhe des Amuletts, aus dem Blut
floss, zerrissen war. Adhara versuchte, in diesem Gesicht auch Shyras Züge zu erkennen, fand aber nichts, was sie an die Zwillingsschwester erinnerte.
Stumm, mit leidender Miene sah die Frau sie an.
Sag mir, wo du dich befindest , dachte Adhara, doch als sie sprechen wollte, konnte sie den Mund nicht öffnen. Sie hob die Hände – wie immer in ihren Träumen fehlte ihr keine – und führte sie an die Lippen. Sie waren zugenäht. Als sie Lhyr wieder ansah, erkannte sie auch an deren Mund den dicken schwarzen Faden, der ihn mit großen unregelmäßigen Stichen verschloss. Vor Angst war sie wie gelähmt.
Ich habe mit deiner Schwester Shyra gesprochen, und sie hat mir geglaubt. Jetzt will ich sie zu dir führen , dachte Adhara so fest sie konnte, in der Hoffnung, dass sich ihre Gedanken auf Lhyr übertrugen und sie sich auf diese Weise mit ihr unterhalten konnte.
Das Amulett strahlte jetzt noch heller und tauchte den ganzen Raum in ein unheimliches scharlachrotes Licht. Dieser Raum war eine schmale Zelle, die Lhyrs Körper fast ganz ausfüllte. Die niedrige Decke wurde von Holzbalken getragen. Die Wände bestanden aus Erde. Es war ein Raum, der auf entsetzliche Weise an ein Grab erinnerte. Jetzt schrumpfte die Gestalt wieder zusammen, bis nur noch das Amulett zu sehen war, wie ein Blutstropfen in einer undurchdringlichen Finsternis. Und Adhara erkannte, dass das Grab von einer riesengroßen, mindestens zwanzig Ellen hohen Holzstatue überragt wurde. Es waren keine Verbindungsstellen zu sehen. Also mussten die Bildhauer entweder unvergleichliche Meister ihres Faches gewesen sein oder die
Figur aus einem einzigen Baumstamm gefertigt haben. Sie stellte eine Frau mit auffallend langen Haaren dar, die einen mageren Leib umhüllten und an den Spitzen in Rosenknospen ausliefen. In einer Hand hielt sie einen Baum mit knorrigem Stamm und gewundenen Ästen, in der anderen eine Flamme. Ihre Miene war ernst, fast finster, und Adhara hatte das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben, ja, sie überaus gut zu kennen. Sie verspürte einen Stich im Herzen und eine ungute Vorahnung überkam sie.
Nur einen Moment hielt die Vision an, bevor die
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