Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Lächeln.
Dubhe nickte nur. Kalth trat auf seine Schwester zu. Amina trug eine vollkommen schwarze Uniform, in der sie wie ein Schatten unter Schatten aussah. Wie immer war ihr Haar ganz kurz geschnitten. Sie schaute auf, und ihr Blick spiegelte sich in dem des Zwillingsbruders. Auch ihr Gesichtsausdruck strahlte Ernst und Entschlossenheit aus.
Bis vor kurzem war sie trotz der Schicksalsschläge, die sie getroffen hatten, im Grunde immer noch ein kleines Mädchen gewesen. Jetzt nicht mehr. Durch die militärische Ausbildung bei ihrer Großmutter, der sie mit einem Eifer und einer Ausdauer nachgegangen war,
die sie zuvor nur bei ihren Launen an den Tag gelegt hatte, war sie erwachsen geworden. Nun hatte sie mit ihrem Bruder gleichgezogen, den die Bürde der Verantwortung ebenfalls in Windeseile hatte reifen lassen.
Dubhe wusste nicht, ob sie sich wirklich darüber freuen sollte. Jedenfalls hatte sie sich eine andere Zukunft für ihre Enkelkinder erträumt. Als die Zwillinge zur Welt gekommen waren und sie die Säuglinge zum ersten Mal im Arm gehalten hatte, hatte sie erleichtert gedacht, dass diesen beiden ein ähnliches Schicksal wie ihr selbst erspart bleiben würde, weil sie in einer friedlichen Welt aufwuchsen. Doch dann war es anders gekommen.
Mit einer eleganten Bewegung zog Kalth jetzt sein Schwert und streckte die Klinge zu Amina aus. »Schwörst du, deinem König, deinem Land und der Aufgetauchten Welt treu mit aller Kraft bis in den Tod zu dienen?«
Im gleichen Ton würde er diese Worte auch zu den anderen jungen Leuten sprechen, die vor ihm angetreten waren und an diesem Tag zu Schattenkämpfern geschlagen werden sollten, zu Angehörigen der geheimen Agententruppe also, die von Dubhe befehligt wurde.
Amina blickte leidenschaftlich und vertrauensvoll, mit dem Blick eines treuen Untertanen auf seinen gerechten Herrscher. »Ich schwöre es«, sagte sie und fuhr mit der Handfläche über die Schneide, so dass ein wenig Blut floss, wischte es dann mit dem Ärmel fort und küsste die Klinge.
Nun trat Dubhe einen Schritt vor. Sie ergriff den Dolch, den Baol ihr reichte. Dabei spürte sie, wie ein
Schauer sie durchlief. Während der Ausbildung ihrer Enkeltochter hatte sie sich die ganze Zeit gefragt, ob es richtig war, dieses junge, fast noch kindliche Mädchen an den Waffen auszubilden? War es richtig, ihr beizubringen, wie man jemanden tötete, wie man das Schwert am wirksamsten einsetzte und sich hinter die Front, auf feindlichem Gebiet, bewegte? Bis jetzt hatte sie noch keine endgültige Antwort finden können. Mit dieser Geste, der Übergabe des Dolches, entschied sich für immer, welchen Weg Amina gehen würde. Deshalb zögerte Dubhe.
Lange blickte sie das Mädchen an, betrachtete ihr Gesicht, ihre Uniform, und merkte, dass sie stolz auf sie war.
»Möge die Nacht deine treue Gefährtin sein, mögen die Schatten dir beistehen. Von heute an bist du eine Schattenkämpferin«, erklärte sie schließlich in feierlichem Ton.
Ein schlichtes, aber fröhliches Fest schloss sich an. Dubhe beobachtete, wie Amina mit Kalth scherzte. Es war lange her, dass sie die beiden so einträchtig erlebt hatte. Im Grunde waren sie nie ein Herz und eine Seele gewesen. Doch der Schmerz brachte die Geschwister zusammen. Sie waren praktisch Waisen, denn ihre Mutter Fea hatte die Geschehnisse nicht verkraftet und sich in eine eigene Welt geflüchtet. Auch jetzt spazierte sie wieder geistesabwesend durch den Park, gefolgt von der Gesellschafterin, die Kalth ihr an die Seite gestellt hatte. Fea war eine gebrochene, geistig umnachtete Frau. An ihr früheres Leben erinnerte sie sich kaum, und
sogar ihre Kinder waren wie Fremde für sie. Es hatte lange gedauert, bis sie die Tochter überhaupt wiedererkannt hatte, als diese nach Neu-Enawar zurückgekehrt war, und auch jetzt hatte sie sicher nichts von der Zeremonie begriffen, die gerade stattgefunden hatte. Was vielleicht auch besser so war. Denn die alte Fea hätte es wohl niemals hingenommen, dass ihre Tochter Amina nun eine Agentin war.
Dubhe trat auf die Geschwister zu. »Glückwunsch noch mal, aber du weißt ja, dass deine Ausbildung noch nicht beendet ist«, wandte sie sich mit einem Lächeln an Amina.
Die drehte sich um. »Wieso? Hast du jetzt Lust auf ein Kämpfchen?«
Amina wusste nur zu gut, dass ihre Großmutter seit einiger Zeit wegen ihrer erschöpften Glieder nicht mehr kämpfen konnte. Als sie das letzte Mal gegeneinander angetreten waren, hatte die Jüngere
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