Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
dieses Portals getränkt hat. Und mit ihrem Blut wurden auch ihre Namen geschrieben.«
Amhal trat näher heran. Die Muster waren eingeritzt, doch die dadurch entstandenen Rillen waren tatsächlich mit einer backsteinroten Farbe gefüllt worden. Blut. Das Blut von hundert Unschuldigen. Dies war das Fundament von Kryss’ großem Traum.
Amhal betrachtete die flackernde Oberfläche des Portals. Sie war von einem durchscheinenden Grün und wogte sanft auf und ab wie ein hauchdünner Schleier, der von einem kaum spürbaren Luftstrom bewegt wurde.
»Wisst Ihr, wie es funktioniert?«, fragte der Elf.
Amhal nickte. Kurz bevor er in die Stadt gekommen war, hatte San es ihm noch erklärt. Seine Finger glitten wieder über das Amulett auf seiner Brust.
»Ihr werdet natürlich nicht in Erak Maar landen«, fuhr der Elf fort. »Ein Portal auf feindlichem Gebiet zu errichten ist nicht möglich gewesen. Aber bis ans Ufer des Saars werdet Ihr gelangen.«
San hatte ihm gesagt, dass dort ein Lindwurm auf ihn
warten würde. So würde er den Strom also ganz leicht überwinden.
Amhal zog seinen Dolch und ritzte sich einen der Finger auf, die ihm an der linken Hand geblieben waren. Sofort quoll Blut hervor, durchsichtig und von dieser besonderen Konsistenz, die ihn von Kindesbeinen an als Halbblut gebrandmarkt hatte. Er schüttelte die Finger, um etwas von dem Blut gegen das Portal zu spritzen, und sofort tat sich etwas.
Der grüne Schleier verschwand und machte einer bläulichen, wasserartigen Oberfläche Platz. Ungerührt blickte Amhal darauf, ging los, tauchte in das Portal ein und verschwand.
Adhara zog sich die Kapuze über den Kopf. Sie war aus grobem Stoff und juckte auf der Haut, doch es war unerlässlich, dass sie ihr Gesicht verbarg.
»Man sieht auf den ersten Blick, dass du ein Mensch bist. Wenn du so durch die Stadt läufst, geraten die Leute in Panik«, hatte Shyra erklärt, nachdem sie ihr die Haare grün gefärbt hatte.
Es war Winter, aber nicht kalt, sondern angenehm mild, und dieser Umstand machte nicht gerade Lust, sich so dick einzupacken. Aber sie mussten sehr vorsichtig sein. Schließlich waren sie nur zu fünft. Fünf Frauen gegen eine gesamte Stadt.
Nach Orva hineinzugelangen war nicht schwierig.
»Einmal im Jahr feiern wir hier Pesharjai, den Tag der Wunder«, hatte Shyra ihr erklärt. »Dann strömen Kranke aus ganz Mherar Thar nach Orva, um in Phenors Tempel Heilung zu finden. Selbst jetzt, da in der Stadt
das Kriegsrecht herrscht, sind an diesem Tag die Tore geöffnet und die Kontrollen nachlässiger.«
Sie hatten sich in den Strom der Leute eingereiht, der durch das Haupttor in die Stadt zog. So schwammen sie mit, in diesem Meer der Verzweiflung. Überall Leid, von entzündeten Wunden entstellte Gesichter, Kinder, die leblos in den Armen ihrer Mütter lagen, Verkrüppelte.
»So sehen die vielgepriesenen Kriegserfolge aus«, bemerkte Shyra verächtlich.
In diesem Moment packte jemand Adhara am Handgelenk.
Sie waren an einen Wachsoldaten geraten, der beliebig Leute aus der Menge anhielt und untersuchte.
Sie senkte den Kopf noch tiefer und beschränkte sich darauf, ihm ihren Armstumpf zu zeigen. Augenblicklich zog der Wachsoldat seine Hand zurück.
»Geh nur.«
An Pesharjai, dem Tag der Wunder, schien man hier alles für möglich zu halten, auch dass Gliedmaßen nachwuchsen.
Von der Menge geschoben, von allen Seiten gestoßen, ließen sie sich weitertreiben. Überall um sie herum waren Stimmen. Die einen leierten Gebete herunter, andere beklagten ihr Leid, wieder andere schwatzten mit anderen Hilfesuchenden. Adhara fühlte sich wie benommen. Die beißenden Ausdünstungen der vielen kranken Leiber, die sich in den Gassen drängten, schnürten ihr die Kehle zu. Dennoch konnten sie sich nicht gegen den Duft des Meeres durchsetzen, der alle anderen Gerüche überlagerte, der Adhara umhüllte und
berauschte. Sie dachte daran, was Shyra ihr über diese Stadt und die Nacht der Blüten erzählt hatte.
Die Feuerkämpferin schaute sich aufmerksam um und versuchte, noch tiefer in die Atmosphäre der Stadt einzutauchen, in der sich das Drama der Zwillingsschwestern abgespielt hatte. Es war ein Ort, wie man ihn in der Aufgetauchten Welt nicht fand und der ihr sofort das Gefühl vermittelte, weit weg von zu Hause zu sein. Alles war so fremd. Die Straßen waren mit großen, unterschiedlich geformten Platten aus schwarzem Felsgestein gepflastert, das offensichtlich so weich war, dass die Räder der Wagen
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