Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
ihr Gesicht, obwohl weiblich, wies eine unglaubliche Ähnlichkeit mit dem Antlitz des Gottes auf. Adhara lief ein Schauer über den Rücken. Mochte der Weg, den sie zurücklegte, auch noch so weit sein, so hatte sie doch immer wieder das Gefühl, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, zu diesem mysteriösen Gott, der sie als seine Dienerin beanspruchte und ihr nur zu einem einzigen Zweck das Leben geschenkt hatte – geradeso wie die Erweckten.
Als sie den Blick senkte, wurde ihr bewusst, wie schwierig ihr Vorhaben sein würde. An dem breiten, kunstvoll geschnitzten hölzernen Altar, der von der Statue überragt wurde, hatten einige Priesterinnen bereits damit begonnen, die Hilfesuchenden zu behandeln. Dazu legten sie ihnen die Hände auf den Kopf, schlossen die Augen und murmelten eine Litanei. Kurz darauf war die Behandlung beendet. Der Gläubige erhob sich und entfernte sich in der Hoffnung, dass diese wenigen Augenblicke die lange Anreise, die viele auf sich nahmen, wert gewesen waren.
Die Hoffnung lässt die Leute die verrücktesten Dinge tun , überlegte die Feuerkämpferin. Mich auch .
»Los, wir sind so weit.«
Shyras Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Alle legten ihre unscheinbaren Umhänge ab und warfen sie in die Nische. Darunter trugen sie die Gewänder der Phenor-Priesterinnen: lange, blassrote Roben, die am Kragen und an den Ärmeln mit leuchtend grüner Litze
verziert waren. Die Kapuzen behielten sie auf. Normalerweise trugen die Priesterinnen sie nur, wenn sie irgendwo unterwegs waren, aber Shyra baute darauf, dass dies in dem allgemeinen Durcheinander niemandem auffallen würde.
Dicht an den Tempelwänden entlang bewegten sie sich gemeinsam auf ihr Ziel zu. Dort an den Seiten hielten sich nur wenige Kranke auf, und es wurden immer weniger, je näher sie der Phenor-Statue kamen. Denn ungefähr in der Mitte des Tempels nötigten Wachen die Postulanten, sich in zehn parallele Warteschlangen einzureihen. Adhara und die anderen schlichen sich um diese Stelle herum und waren nur noch etwa zehn Ellen von der Statue entfernt. Dort blieben sie stehen, und Shyra sah nach oben. Neben einem der Fenster blinkte etwas ganz kurz.
»Haltet euch bereit!«, flüsterte sie.
Aus ihrem Quersack holte sie einen kleinen Bogen hervor und legte einen Pfeil an die Sehne. Im nächsten Augenblick durchschnitt ein Lichtstrahl den Innenraum des Tempels und bohrte sich in den Altar. Die brennende Spitze steckte im Holz, und schon begannen die Flammen sich auszubreiten.
Ein Schrei, dem viele weitere folgten. Von Angst ergriffen, wankte die Menge, Panik brach aus und pflanzte sich wie eine Welle auf der ruhigen Oberfläche eines Teiches fort.
»Jetzt!«, flüsterte Shyra entschlossen. Adhara und die anderen stürmten vor, während der Tempel im Chaos versank.
Die Priesterinnen hatten alles stehen und liegen lassen
und flohen in einem Pulk mit den Kranken, die sie hätten heilen sollen. Alle entfernten sich vom Altar, an dem sich die Flammen weiterfraßen. Währenddessen versuchten Wachsoldaten, zum Brandherd zu gelangen, aber der Strom der Fliehenden stellte sich ihnen entgegen und hielt sie auf. Der ganze Tempel hallte von panischen Schreien wider, einige Leute waren gestürzt und lagen am Boden, während andere über sie hinwegtrampelten. Wieder andere fielen auf die Knie und begannen zu beten.
Adhara und die anderen handelten, bevor die Situation ganz außer Kontrolle geriet, nutzten diesen flüchtigen Moment zwischen der anfänglichen Verblüffung und dem Ausbrechen der Massenpanik. Sie hatten nur diese kurze Zeitspanne, in der der Altar für sie zugänglich sein würde. Das musste reichen. Danach würde das Chaos überhandnehmen und das Feuer alles verschlingen, oder sie würden von Wachen, die zu löschen versuchten, gestört werden.
Adhara bemühte sich, jede Ablenkung auszuschalten und sich nur auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
»Schnell, schnell, bevor die Wachen da sind«, rief Shyra.
Adhara hoffte inständig, dass Lhyr gleich zu ihr sprechen und ihr mitteilen würde, was zu tun war, denn im Traum hatte sie keinerlei Hinweis darauf erhalten.
Bei dem Altar angekommen, strich sie mit der rechten Hand über das Holz, das mittlerweile schon ganz warm war. Sie schloss die Augen.
»Was ist?«
»Einen Augenblick noch.« Ihr war heiß, unerträglich
heiß, aber sie hätte nicht sagen können, ob die Hitze vom Feuer oder von der Aufregung kam. Sie tastete mit den Fingern über den ganzen Altar, blind, denn keine
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