Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
auf den Tränen, die über seine Wangen laufen. Er wischt sie wütend ab, und wir bleiben kurz stehen, damit er Zeit hat, sich wieder zu sammeln.
So ruhig, wie es mir nur möglich ist, sage ich: » Ich habe jetzt Unterricht bei Hector, aber Vater Alentín hat vielleicht kurz Zeit, um mit dir in die Küche zu gehen und dir ein Stück Kokospastete geben zu lassen.«
Er nickt und schluckt geräuschvoll. Dann klammert er sich kurz um meine Taille und lässt zu, dass ich ihm das Haar zerzause, bevor er sich losreißt und nach Alentíns Hand fasst. Der Priester zwinkert mir über die Schulter hinweg zu, und ich sehe ihnen nach, wie sie zusammen zum Küchentrakt hinübergehen.
» Er ist ein bemerkenswerter Junge«, sagt Ximena.
» Das ist er. Nur fürchte ich manchmal, dass er… Schaden genommen hat. Er hat seinen Vater verbrennen sehen.«
» Auch Alejandro war innerlich versehrt«, erwidert Hector mit gerunzelter Stirn. Mit dem Daumen streicht er über den Knauf seines Schwerts. » Vielleicht ist das der Preis, den man für die Herrschaft zahlt.«
Während ich, flankiert von meinem Leibwächter und meiner Beschützerin, in meine Gemächer zurückkehre, klingen seine Worte in mir nach, und ich wage nicht zu fragen, ob er denkt, dass auch ich innerlich versehrt bin.
Wie ich schon vermutet habe, begleitet mich Ximena dieses Mal nicht zu meiner Selbstverteidigungsstunde bei Hector, sondern eilt ins Klosterarchiv. Fernando nimmt auf dem Flur Aufstellung, um die Tür zu den königlichen Gemächern zu bewachen. Die anderen Wachen beziehen ihre üblichen Posten in meiner Suite. Wie schon das letzte Mal trage ich auch jetzt meine Wüstenkleidung: weiche Hosen, eine lockere Bluse und Lederstiefel.
Hector macht noch immer ein finsteres Gesicht, und ich trete fast unwillkürlich einen Schritt zurück. » Heute werde ich Euch zeigen, welche Körperteile zur Verteidigung geopfert werden sollten.« Er spricht kurz angebunden und hart, und sein Blick brennt vor Intensität.
» Beispielsweise«, fährt er fort, » ist es besser, einen Schwertstreich mit dem Unterarm abzuwehren, auch wenn der Knochen dabei zerschmettert wird, als jemanden bis an Eure Kehle gelangen zu lassen. Ich werde Euch erklären, welchen Teil des Unterarms Ihr dabei einsetzen müsst, damit es weniger wahrscheinlich ist, dass Ihr verblutet. Anschließend werde ich Euch Druckpunkte zeigen, Körperstellen, an denen Ihr anderen ohne große Kraftanwendung sehr starken Schmerz zufügen könnt. Und dann…«
» Hector.«
» …werden wir ein paar Dehnübungen machen, damit Ihr vor allem die Reichweite Eurer Arme und Schultern vergrößern könnt. Es ist leichter, jemandem unverletzt zu entkommen, wenn…«
» Hector!«
» …wenn die Muskeln schon aufgewärmt und biegsam sind. Wir müssen daran arbeiten, dass Ihr Eure Ellenbogen, Euren Schädel, sogar Euer Kinn als Waffen wahrnehmt, die Euch bei Gefahr zur Verfügung stehen. Und danach…«
» HECTOR ! Hört auf.«
Sein Mund klappt zu.
» Das könnt Ihr mir unmöglich alles an einem Nachmittag beibringen.«
Er fängt wieder an, auf und ab zu gehen. » Zumindest so viel, wie irgendwie möglich ist. Ich denke, am besten fangen wir mit den Druckpunkten an, und dann beschäftigen wir uns mit…«
Mit wenigen Schritten stehe ich direkt vor ihm und nehme sein Gesicht in meine Hände.
Er erstarrt und zieht scharf die Luft ein.
Einen langen Augenblick sehen wir einander an. Sein Kinn fühlt sich unter meinen Handflächen warm an. Mein rechter Ringfinger verirrt sich in seinem weichen Haaransatz. Und ganz allmählich kann ich sehen, wie die Besessenheit aus seinen Augen weicht.
» Für mich ist es überaus wichtig, dass Ihr einen kühlen Kopf behaltet, Hector. Ihr mehr als alle anderen.«
Er flüstert: » Ich darf nicht riskieren, dass ich auch Euch nicht beschützen kann.« Mit sanftem Griff löst er meine Hände von seinem Gesicht. Sie sind so viel größer als meine, rau und voller Schwielen. » Er war mein bester Freund. Ich habe ihn sterben lassen. Ich träume…« Seine Stimme verebbt.
» Das ist Euer Albtraum, nicht wahr? Der, von dem Ihr mir nicht erzählen wolltet? Ihr träumt von Alejandros Tod.«
» Nein. Nicht von seinem.«
Ich bin darauf gefasst, dass er meine Hände nun fallen lassen und einen Schritt zurücktreten wird, um Abstand von mir zu halten, so wie er das immer tut. Aber er wechselt nur das Thema.
» Elisa, Ihr geht zu viele Risiken ein. Wie gerade eben, als Ihr persönlich mit dem
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