Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
der Wasseroberfläche.
Ich stelle die Kerze an den gefliesten Beckenrand.
Vor mir an der Wand hängt der große Ankleidespiegel– und zeigt mir mein eigenes Spiegelbild. Ich trage ein seidenes Nachtkleid aus blasser, lavendelfarbener Seide, die mit zarter Spitze eingefasst ist. Das weit geschnittene Kleid umspielt mich angenehm und vorteilhaft, und mein dicker, für die Nacht schlicht geflochtener Zopf ringelt sich um eine Schulter und fällt beinahe bis zur Hüfte herab. Meine Haut schimmert im Kerzenschein. Fast fühle ich mich schön.
Ich zünde die Öllampe der Ankleide an, um besser sehen zu können.
Der Umriss des Feuersteins zeichnet sich klar unter dem dünnen Stoff ab. Ich schiebe die Träger des Hemds von meinen Schultern und lasse es zu Boden fallen.
Neugierig betrachte ich mein nacktes Spiegelbild. Ich versuche, mich mit fremden Augen zu sehen. Würde jemand die wulstige, rote Narbe und die blauen Facetten des Feuersteins so weit außer Acht lassen, dass ihm die leichte Weichheit meines Bauches auffiele? Oder die Tatsache, dass sich die Innenseiten meiner Schenkel ein wenig berühren, wenn ich stehe? Meine Beine werden nie so gertenschlank und elegant sein wie die meiner älteren Schwester, aber sie sind gerade und stark.
Dann endlich lasse ich den Blick zu meinen Brüsten wandern. Sie sind das Weichste an mir, schwer genug, dass es tagsüber angenehmer ist, sie in ein Mieder zu schnüren. Ungeschnürt sinken sie üppig ein wenig nach unten und bilden das perfekte Gegengewicht zu meinen Hüften. Während ich sie anstarre, wird mir urplötzlich die kühle Luft bewusst, die über die dunklen Spitzen streicht.
Ximena hat mir immer gesagt, dass Männer meine Brüste bemerken würden. Bisher ist mir noch nie jemand aufgefallen, der sie bemerkt hätte. Aber vielleicht liegt das an mir. Mara sagt, dass ich in Liebesdingen schrecklich unwissend bin.
Langsam und mit errötendem Gesicht lege ich meine rechte Hand an meine linke Brust und hebe sie sanft an. Dann drücke ich ganz leicht, und in mir tobt eine kleine Auseinandersetzung darüber, was ich am ehesten herausfinden will: wie sich eine Hand auf meiner Brust anfühlt oder eine Brust in meiner Hand.
» Elisa?«
Erschreckt drehe ich mich um und lasse den Arm sinken.
Es ist Mara. Sie steht in der Tür zum Bedienstetengemach, das Haar zerzaust, die Augen verschlafen.
» Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Ist alles in Ordnung?«
Sie hat mich schon hundert Male nackt gesehen, aber trotzdem habe ich das unbestimmte Gefühl, als hätte sie mich gerade bei etwas Unanständigem ertappt. » Mir geht es gut. Ich konnte nur nicht schlafen.«
Kurz sieht sie mich an, als ob sie überlegt. Dann winkt sie mich zu sich heran. » Setz dich doch eine Weile zu mir.«
Hastig bücke ich mich und hebe die schimmernde Seide zu meinen Füßen auf, schiebe die Arme wieder durch die Träger. Dann folge ich Mara in ihr Zimmer.
Vorsichtig, um ihren verletzten Bauch nicht zu belasten, lässt sie sich auf eines der unteren Stockbetten sinken und klopft auf die Matratze neben sich. » Setz dich«, sagt sie, als wäre sie die Königin und ich die Zofe.
Ich gehorche.
» Du kannst mir alles sagen, weißt du«, fährt sie fort.
» Weiß ich.«
Ein Strahl Mondlicht fällt durch das hohe Fenster und scheint auf den oberen Teil der gegenüberliegenden Wand, sodass wir im Schatten bleiben. Es ist die Dunkelheit und das geduldige Schweigen, die mir den Mut verleihen zu fragen: » Mara, hast du je mit einem Mann geschlafen?«
Sie zögert kein bisschen mit ihrer Antwort. » Ja. Mit zweien.«
Oh. Wie kann jemand, der so jung ist wie sie, schon zwei Männer gehabt haben? Es brennt mir auf den Nägeln, sie nach ihnen zu fragen, wie es war, ob einer von ihnen ihr das Herz gebrochen hat. Aber ich schaffe es nicht, die Worte auszusprechen.
» Ich kann dir von ihnen erzählen, wenn du willst«, sagt sie.
Oh, Gott sei Dank. » Gerne. Ja.«
» Den ersten lernte ich kennen, als ich gerade erst fünfzehn war. Er war zwei Jahre älter und so wie ich noch unerfahren. Wir haben ein oder zwei Wochen Blicke ausgetauscht. Er war der hübscheste Junge, der mir bis dahin je begegnet war. Eines Tages brachte ich die Schafe meines Vaters zum Grasen zu einer hohen Schlucht. Er folgte mir, und für mich war das die romantischste Sache der Welt. Wir küssten uns, und dann haben wir uns gegenseitig ausgezogen, und dann habe ich gemerkt, dass sich mir die ganzen Steine in den Rücken bohrten und
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