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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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Mauern von Brisadulce, über die Kaufmannsquartiere und das Sumpfviertel bis zu den Hafenanlagen und dem blauen Horizont dahinter.
    Der Turm besteht aus grauem Kalkstein und bildet einen langweiligen, schmuddeligen Kontrast zu dem korallenroten Sandstein, aus dem seine Brüder errichtet wurden. Er erhebt sich wie ein Schandfleck in den Himmel, und mir wird klar, wie unmöglich es sein muss, aus so einem Bauwerk zu entkommen. Es gibt nur einen Weg nach oben oder unten, und das ist die Treppe innerhalb der Mauern.
    Es ist ein seltsames Grüppchen, das mich zur Befragung des Gefangenen begleitet: ein einarmiger Priester, eine ältliche Kinderfrau, ein Quorumsmitglied und ganz unerwartet auch ein siebenjähriger Prinz. Rosario hat von unserem Vorhaben erfahren, weil Hector das tägliche Schwertkampftraining mit ihm absagen musste, und sofort beschlossen, dass er dabei sein wollte.
    Dementsprechend auffällig ist unsere Gruppe, und ich ärgere mich, dass ich das nicht bedacht habe. Die Nachricht, dass im Turm etwas sehr Wichtiges vor sich geht, wird spätestens bis zum Abend im ganzen Palast die Runde gemacht haben.
    Bevor wir unter dem Torbogen am Eingang hindurchschreiten, beuge ich mich hinunter und berühre Rosario an der Schulter. » Bist du sicher, dass du mitkommen willst, Rosario? Dort oben ist ein Invierno. Er sieht ganz ähnlich aus wie die…« Wie die Animagi, die deinen Papa getötet haben. » Äh, wie diese anderen Inviernos, die wir gesehen haben.«
    Er legt die Hand an das Holzschwert an seinem Gürtel. Dann sieht er mich mit finsterem Blick an und erklärt: » Ich habe keine Angst.«
    Ich weiß, dass ich jetzt nicht lächeln darf. » Nun, aber ich. Jedenfalls ein bisschen.«
    » Ich werde dich beschützen. Genau, wie Hector das immer tut.«
    Der Junge hat meinen Leibwächter schon immer vergöttert, aber seit dem Tod seines Vaters tut er das noch mehr als zuvor. » Da fühle ich mich gleich etwas besser. Danke.«
    Als ich mich wieder aufrichte, fängt Hector meinen Blick auf und zuckt die Achseln. Ich nicke zur Antwort. Wenn Rosario glaubt, er sei bereit, einem Invierno gegenüberzutreten, dann wäre es ungerecht, ihm das zu verwehren.
    Kaum sind wir aus dem sonnigen Hof in den Schatten des Turmes getreten, da erschlägt mich fast der Geruch aus Schweiß, Urin und fauligem Stroh. Die Turmwächter erheben sich hastig von einem roh gezimmerten Tisch, an dem sie gerade Karten spielen, und nehmen Haltung an. Es sind Soldaten General Luz-Manuels, keine Leibgardisten, und sie beäugen uns misstrauisch, als wir an ihnen vorübergehen. Ich hoffe, sie werden tun, was ihnen befohlen wurde, und kein Wort über ihren neuesten Gefangenen verlieren.
    Hector führt uns zu der knarrenden Treppe, die im Zickzack an einer Seite der Steinmauer emporführt. Der Turm ist innen von mehreren hölzernen Plattformen durchzogen, die von dicken Balken und kleineren Holzverstrebungen an Ort und Stelle gehalten werden. Die Treppe führt in regelmäßigen Abständen auf die Plattformen, und im düsteren Licht, das durch lange, schmale Öffnungen in den Mauern hineinfällt, sehe ich Menschen, vielleicht zehn auf jeder Ebene, kaum bekleidet, ausgezehrt, dreckig, verfilzt. Wie alt sie sind, kann ich nicht einmal ansatzweise erraten. Sie alle sind mit Handschellen an die Mauer gekettet, sodass sie die Treppe nicht erreichen können.
    Eine Frau mit wildem Haar stemmt sich gegen ihre Fesseln und spuckt in meine Richtung. Die Spucke landet auf den Holzbrettern nahe bei meinen Füßen. Ximena macht einen Schritt auf sie zu, aber ich lege beruhigend eine Hand auf ihren Unterarm.
    » Sie leidet schon genug«, sage ich.
    Ein anderer Gefangener, dessen Gesicht von einem grauen Bart überwuchert wird, versetzt der spuckenden Frau sofort einen Tritt gegen den Knöchel. » Manche von uns erinnern sich noch«, sagt er zu mir, und der harte Akzent der Hafenarbeiter schwingt in seiner Stimme mit. » Wir haben nicht vergessen, was Ihr für uns getan habt, Majestät.«
    Während Hector mich schnell weiter nach oben bringt, wünschte ich, die Geistesgegenwart gehabt zu haben, diesem Mann zu danken und ihm zu sagen, wie viel seine Unterstützung mir bedeutet.
    Unwillkürlich drängt sich mir die Frage auf, was diese Menschen getan haben mögen, um an diesem schrecklichen Ort zu landen. Sicherlich irgendetwas Entsetzliches. Als wir oben angekommen sind, bin ich außer Atem, mir ist übel, und die Ungewissheit nagt an mir. Vielleicht hätte ich den Invierno

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