Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
dass es sehr kalt war und dass die Schafe allmählich auseinanderliefen… und dann änderte ich meine Meinung über das, was wir machten. Aber ich habe nichts gesagt. Ich habe es geschehen lassen. Nach ein paar schmerzhaften Sekunden war es vorbei. Am nächsten Tag im Dorf hat er mich nicht beachtet. Wir haben das ganze nächste Jahr kaum miteinander gesprochen.«
Entsetzt starre ich ihren schattenhaften Umriss an. » Das… das tut mir so leid. Das klingt… schrecklich.«
Sie zuckt die Achseln. » War nicht so schlimm. Weißt du, mein Vater war der Priester in unserem Dorf. Und sehr streng. Er sagte immer, er könne es erkennen, wenn ein Mädchen seine Jungfräulichkeit verloren hätte, allein an ihrem Gang. In den Tagen danach bin ich furchtbar vorsichtig gegangen, weil ich Angst hatte, er würde es wirklich merken. Aber das hat er nie. Ich war genau derselbe Mensch wie zuvor. Nur vielleicht ein bisschen klüger.«
Mein Herz klopft. » War es schlimm danach?«, frage ich. » So übersehen zu werden?«
» Ja. Ich wünschte mir, ich hätte gewartet, hätte den Mut gehabt, nein zu sagen oder ihn wegzuschubsen. Aber diese schlimme Zeit dauerte nicht lange. Wir lernten beide jemand anderen kennen.«
» Ja?«
Sie holt tief Luft und atmet wieder aus. » Julio war ein bisschen älter. Nicht so gut aussehend, aber viel netter. Ich habe damals oft Ziegenkäsebrötchen mit Pinienkernen gebacken, sie mit in Honig eingelegten Aprikosen belegt und jede Woche auf dem Markt verkauft. Er kam immer an meinen Stand, holte sich ein paar Brötchen und blieb stets stehen, um ein bisschen zu reden. Es dauerte Monate, bis er mich zum ersten Mal küsste. Und noch viel länger, bis wir miteinander schliefen, was dann aber wirklich wundervoll war. Wir haben es oft getan. So oft wie möglich. Er wollte bei meinem Vater um meine Hand anhalten.«
Leise frage ich: » Was ist mit ihm geschehen?« Aber ich ahne es bereits.
» Er kam um, als die Inviernos unser Dorf niederbrannten. Kurz bevor ich dich in Vater Alentíns Rebellenlager traf.«
Ich erinnere mich. Sie war zuerst so traurig. Die Auserwählte zu treffen schien ihr damals viel Trost zu geben. » Oh, Mara.«
» Ich vermisse ihn noch immer. Aber ich bin mir auch bewusst, wie viel Glück ich hatte. Ich hätte auch schwanger sein können, als er starb, denn wir waren sehr unachtsam. Mein Vater hätte es herausgefunden und mich dafür geschlagen.« Sie deutete auf die Narbe über ihrem Auge. » Ich habe noch so eine zwischen meinen Schulterblättern. Aber Julio blickte hinter die Narben und fand mich schön.«
Ihre Stimme bricht kaum merkbar, als sie » schön« sagt, und ich lege ihr einen Arm um die Schultern und drücke sie fest. » Du bist schön.«
Sie lacht. » Ich weiß! Sogar mit diesen schrecklichen Verletzungen. Julio hat immer gesagt, dass er mein Lächeln liebt. Und meine Nase! Du musst zugeben, meine Nase ist perfekt.«
» Das ist sie.«
Sie lehnt sich gegen mich. Ihr weiches Haar verströmt einen zarten Geißblattduft. Ihre Stimme zittert leicht, als sie sagt: » Manchmal habe ich Angst, dass ichzu schlimmvernarbt sein könnte, seit die Animagi mich verbrannt haben. Und Brandnarben sind noch dazu besonders schrecklich, weil sie so aufgeworfen und wulstig und seltsam gefärbt sind. Vielleicht werde ich nie wieder einen Mann an mich heranlassen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sich jemand, der mir etwas bedeutet… vor mir ekeln würde.«
Es ist ein Gefühl, das ich gut kenne. Ich fürchtete mich früher immer vor dem Augenblick, da sich Alejandro angewidert von mir abwenden würde. Aber er starb, bevor ich den Mut– oder vielleicht auch das Verlangen– hatte, nackt vor ihn zu treten.
» Und ich habe auch Angst, dass man das, was ich mit Julio erfahren durfte, nur einmal im Leben findet«, fährt Mara fort. » Vielleicht habe ich mein Glück in der Liebe schon aufgebraucht.« Sie zuckt die Achseln.
» Das fürchte ich auch.«
Sie seufzt. » Ich mochte Humberto. Er hat immer gelacht und hatte immer so gute Laune. Mir war gar nicht klar, dass ihr zusammen wart, bevor du mir davon erzählt hast.«
» Wir waren nicht zusammen. Nicht so.«
» Du hast nie…«
» Nie.«
Und irgendwie begreift sie auch, dass ich, wenn ich » nie« sage, nicht nur Humberto meine, denn sie sagt: » Das wirst du schon noch. Als Königin ist das gar nicht zu vermeiden. Du wirst heiraten, und alle werden dich drängen, ein Kind zur Welt zu bringen, damit es mehr als nur einen
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