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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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Abschrift, daran besteht kein Zweifel. Das Original ist wohl auf ewig verloren. Niemand hielt es für wert, es zu erhalten.«
    » Und jetzt glaubt Ihr, die Priester hätten sich geirrt? Vielleicht ist es keine Blasphemie, sondern eine wahre Schrift?«
    » Nein«, sagt Ximena, und Alentín erklärt gleichzeitig: » Mit Sicherheit.«
    Sie tauschen einen streitbaren, aber freundlichen Blick. Dann seufzt Ximena und fährt fort: » Dem bestehenden Kanon eine neue Schrift hinzuzufügen, das ist keine leichte Entscheidung. Durch einen neuen Text könnten sich jahrhundertelang gepflegte Traditionen ändern. Oder Ansichten. Ich müsste absolut überzeugt sein, bevor ich eine solche Schrift als Gottes eigene Worte anerkennen würde.«
    Alentín wirft ein: » Aber Ihr gebt zu, die Möglichkeit besteht, dass es sich um Gottes Worte handelt. Wir haben bestechende Beweise.«
    » Die Möglichkeit räume ich ein.«
    » Aha!«, ruft er, als habe er einen großen Sieg errungen, und entsetzt sehe ich, dass Ximena die Augen verdreht. Noch nie zuvor habe ich erlebt, dass sie sich so ungebührlich verhält.
    » Dann sagt es mir.« Jetzt bin ich neugierig. » Wieso glaubt Ihr, es könnte doch eine wahre Schrift sein? Was steht denn darin?«
    Nicandro räuspert sich. » Meister Lucero war ein armer Dorfjunge. Er konnte weder lesen noch schreiben. Aus der Einleitung geht hervor, dass er seine Vision einem Freund diktierte, der sie hastig auf einer Schafshaut notierte. Wie sich herausstellte, war auch der Freund kein Meister im Lesen und Schreiben. Das Manuskript, wenn man es denn so nennen will, wurde im nächsten Kloster abgegeben, aber die Geschichte wurde nie bestätigt. Der Junge verschwand. Jahrelang suchte das Kloster nach ihm, doch ohne Erfolg.«
    » Und daher erklärten die Priester die Schrift zur Blasphemie.« Ich verstehe den Grund. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Gott sich durch jemanden mitteilen wollte, der so arm und rückständig war, dass er die Buchstaben nicht beherrschte. Aber ich kann mich für diese Vorstellung durchaus erwärmen. Es ist eine schöne Überlegung, dass Gott die Unvollkommenheit vielleicht nicht als Hinderungsgrund betrachtete, wenn es darum ging, der Welt seinen Willen mitzuteilen.
    » Es erscheint mir ein wenig zu einfach, dass er verschwand«, brummt Ximena. » Dass er nicht befragt werden konnte, und dass das Kloster auch nicht überprüfen konnte, ob sein Feuerstein echt war.«
    Alentín beugt sich ein wenig vor, und seine Augen leuchten. » Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Träger verschwindet. Vor dreihundert Jahren geschah das ebenfalls. Auch da löste sich ein Junge im Kloster zu Altapalma geradezu in Luft auf, ohne dass er seine heilige Aufgabe erfüllt hatte. Niemand weiß, was damals geschah.«
    Ich könnte mir denken, dass er floh– vor den Erwartungen, vor der Angst, vor dem ständigen Druck der anderen, die den besten Weg zu kennen glaubten, um Gottes Willen zu tun. Oder vielleicht starb er jung, plötzlich und unerwartet, wie es offenbar den meisten Trägern vorherbestimmt war. Es ist ein Gedanke, an den ich mich gewöhnt habe, als ich in der Wüste lebte– dass ich jung und in Erfüllung meiner göttlichen Pflicht sterbe.
    » Und warum glaubt Ihr«, frage ich nun, » dass wir die Botschaft des Jungen ernst nehmen sollten?«
    » Lucero wusste Dinge«, sagt Nicandro, » die ein ungebildeter Bursche aus einem entlegenen Dorf niemals wissen konnte. Ich möchte jetzt keine Einzelheiten nennen, aber es gab genug Hinweise, die mich stutzig machten. Genug, dass ich begierig weiterlesen wollte. Und dann kam ich an diese Stelle.« Er fährt mit seinem Finger über das Blatt, bis er den entsprechenden Absatz findet. » Hier, Euer Majestät. Lest selbst.«
    Ich beuge mich vor, und der Gedanke an eine neue Entdeckung macht mich ganz unruhig. » Das Tor, das zum Leben führt, ist schmal und klein, sodass nur wenige es finden.« Verwirrt hebe ich den Kopf. » Das ist doch nichts Neues. Das steht doch auch in der Scriptura Sancta.«
    » Lies weiter«, sagt Ximena.
    » Der Gottesstreiter allein soll es durchschreiten und das zafira finden, denn diese Quelle seiner Kraft wird ihn zu sich locken. Und dann wird alle Kraft dieser Welt in ihn fahren, und er soll nach Gottes Willen das ewige Leben haben. Niemand kann ihm widerstehen, seine Feinde werden fallen, wahrhaftig eintausend sollen fallen vor seiner Macht.«
    Alle Kraft dieser Welt. Der Feuerstein erkennt die Worte wieder; er pulsiert

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