Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
sanft und lässt mir warme Schauer über den Rücken laufen.
» Das zafira«, sagt Ximena.
» Genau wie der Invierno gesagt hat«, betont Alentín.
» Woher sollte ein ungebildeter Dorfjunge dieses Wort kennen?«, gibt Nicandro ehrfürchtig zu bedenken. » Es wurde nicht mehr benutzt, seit die ersten Familien in diese Welt gelangten. Es ist älter noch als die Lengua Classica.«
Dunkelheit engt mein Blickfeld ein. Ob es an plötzlich aufsteigender Angst oder Aufregung liegt oder ob die Erschöpfung von Hectors Heilung nachwirkt, kann ich nicht sagen. » Was genau ist denn das zafira?«
Alentín antwortet: » Die Afflatus besagt, dass eine Zauberkraft unter der Kruste der Welt dahinfließt und dass Gott alle vier Generationen einmal einen Streiter erwählt, der sein Zeichen trägt und Magie mit Magie bekämpft.« Ich höre es zu gern, wie seine Stimme in den vertrauten Rhythmus fällt, wenn er die Schriften zitiert. Es erinnert mich so sehr an unsere Zeit in der Höhle in der Wüste, an unsere Unterrichtsstunden, wie wir auf grobem Kies saßen und Buchstaben in den Sand malten.
Nach einer Pause fährt er fort: » Die Schrift unterstützt die Behauptung des Inviernos, das zafira sei die Magie der Welt.«
Ich kneife die Augen ein wenig zusammen und denke nach. » Die Animagi können die Magie von überall aufrufen. Sie müssen nichts weiter tun, als die Erde mit Blut zu tränken. Aber Sturms Worte erweckten den Eindruck, als sei das zafira ein besonderer Ort.«
Er nickt. » Bei Sturm klang es auch so, als sei es keine leichte Übung, diese Magie aufzurufen. Aber Luceros Blasphemie beschreibt eine Spalte in der Kruste der Welt, wo die Quelle der Macht an die Oberfläche steigt. Ich denke, es bezieht sich auf einen Ort, an dem die Zauberkraft leichter zugänglich oder vielleicht auch nur in einer größeren Konzentration anzutreffen ist.«
Sie alle sehen mich erwartungsvoll an, während ich über ihre Worte nachdenke.
» Der Gottesstreiter allein soll das zafira finden…« Kaum sind die Worte aus meinem Mund, da weiß ich: Genau das will ich. Mehr als alles andere.
Aber wie soll ich das fertigbringen? Eine Königin kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen und sich auf eine Fahrt ins Ungewisse begeben.
» Ihr seid die Gottesstreiterin«, sagt Nicandro. » Weiter steht hier, dass Eure Überzeugung auf die Probe gestellt werden wird. Dass Ihr beweisen müsst, dass Ihr der Sache würdig seid. Aber es steht auch da, dass der Träger von Gottes Feuerstein das Tor durchschreiten wird.« Seufzend zuckt er die Achseln. » Ehrlich gesagt, ich finde, es klingt gefährlich.«
Prophezeiungen sind trügerisch, soviel habe ich schon gelernt, sie sind voller Fallen und geheimer Bedeutungen und gehässiger Wendungen. Eine Prophezeiung kann sich anfühlen wie der Betrug durch einen lieben Freund, die Enttäuschung des Lebens oder die Hoffnung einer Nation.
» Das könnte es sein, Elisa«, sagt Ximena, und etwas wild Entschlossenes funkelt in ihren schwarzen Augen. » Das, was du beherrschen musst. Um endlich das Schicksal zu erfüllen, von dem ich weiß, dass Gott es dir vorherbestimmt hat.«
Ich weiß nicht warum, aber ihre Worte beunruhigen mich– auch wenn ich glaube, dass sie durchaus recht hat. Mit einer solchen Macht könnte ich die Intrigen des Quorums aushebeln. Mir meine Feinde vom Leib halten. Mein Königreich wieder erblühen lassen.
» Und Elisa…« In Nicandros Stimme schwingt dunkle Schwere mit. » Es wäre besser, wenn Ihr niemandem von der Blasphemie erzählen würdet. Immerhin ist es ein verbotener Text.«
» Von dem Ihr eine Kopie in Eurem Kloster aufbewahrt.«
Er rutscht ein wenig auf seinem Hocker hin und her. » Nun… das stimmt nicht ganz. Vater Alentín hatte sie.«
Ein Lachen perlt in meiner Kehle auf, und Alentín grinst mich spitzbübisch an. Er war immerhin derjenige, der die älteste bekannte Abschrift von Homers Afflatus stahl, als er aus dem Kloster zu Basajuan floh. Natürlich hatte er eine Abschrift der verbotenen Blasphemie. » Wir sollten mit den Vorbereitungen beginnen, mein Himmel«, sagt Ximena. » Wir könnten die Abreise…«
Ich hebe die Hand, um sie zu unterbrechen. Sie ist mit Hectors geronnenem Blut verkrustet. » Ich werde darüber nachdenken.«
15
A ber zum Nachdenken ist keine Zeit, denn der Tag der Erlösungsgala zieht heiß und hell und geschäftig herauf. Wir alle geraten bei den Vorbereitungen mächtig ins Schwitzen, schon allein des Wetters wegen. Für
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