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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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sage ich, und die Männer umringen mich in der gewohnten Formation.
    Die Flure sind still und leer. Licht fällt von den an die Wand montierten Fackeln über das Muster aus glasierten Fliesen, wirft aber auch Schatten über unseren gepflasterten Weg. Überall in der Dunkelheit und hinter jeder Ecke stelle ich mir Mörder vor. Jedes Geräusch, jedes Flüstern ist wie ein Pfeil in der Luft oder ein aus der Scheide fahrender Dolch.
    Ich denke an Hector und wünsche mir, er wäre bei mir. Und dann bin ich froh, dass er es nicht ist, denn ich muss über vieles nachdenken, bevor wir uns das nächste Mal sehen werden.
    Wir biegen um eine Ecke und betreten das Kloster, einen Ort, der niemals gänzlich schläft. Auf den Gebetsbänken knien hier und da noch Bittsteller, und ein Schüler in grauer Robe kümmert sich um die Kerzen auf dem Altar. Der Duft der Sakramentsrosen, den ich jetzt einatme, gibt mir Trost. Hier, an diesem Ort des Gebets, werde ich ganz bestimmt sicher sein.
    Ich öffne die Tür zum Archiv, und dort sitzen Ximena, Alentín und Nicandro auf Hockern rund um ein Schreibpult. Sie haben sich über ein Stück Pergament gebeugt, dessen gewellte und geschwärzte Ränder von seinem großen Alter zeugen.
    Ich bedanke mich bei den Wächtern und befehle ihnen, den Eingang zu bewachen, dann schließe ich die Tür.
    Die drei sehen erschreckt auf, und Ximena erstarrt vor Entsetzen. » Elisa? Ist das Blut überall auf deinem Kleid?«
    Das hatte ich vergessen. » Ja. Hectors Blut. Wir wurden im Korridor vor meinen Amtsräumen angegriffen. Gedungene Mörder. Tristán ist uns beigesprungen. Jetzt geht es allen wieder gut.« Eigentlich bin ich hierhergekommen, um ihr alles zu erzählen, um ihr zu berichten, wie ich Hector geheilt habe, aber plötzlich will ich das nicht mehr. Eine Weile muss ich noch an andere Dinge denken, bevor ich mich wieder damit beschäftigen kann.
    » Und die Söldner?«, fragt sie. » Weißt du, wer sie angeheuert hat? Wurden sie gefangen genommen oder getötet? Vielleicht gibt es weitere…«
    Ich unterbreche sie mit einer Handbewegung. » Später. Bitte lenkt mich mit alten Pergamenten und undurchdringlicher Weisheit ein wenig ab. Bitte.«
    Die drei tauschen einen Blick, und dann sagt Nicandro: » Ich werde Euch zeigen, was wir entdeckt haben.« Er klopft einladend auf den Hocker, der neben ihm steht, und schiebt die Öllampe auf dem Tisch ein wenig beiseite, um mir Platz zu machen.
    Ich lasse mich neben ihm nieder, und eine unangenehme Erinnerung drängt sich in meine Gedanken. Das letzte Mal, dass ich spät in der Nacht noch hier mit Vater Nicandro saß, erfuhr ich von dem Priester, dass man mich über die gesamte Geschichte der Träger in Unkenntnis gelassen hatte und dass es eine Prophezeiung gab, die mir verhieß, ich würde einmal an die Tore des Feindes gelangen.
    Und ich hatte geglaubt, ich sei schon dort gewesen, als die Inviernos mich gefangen nahmen und ich beinahe von einem Animagus gefoltert worden wäre. Aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht steht mir das Schlimmste erst noch bevor.
    » Das hier«, sagt Nicandro und tippt mit dem Zeigefinger auf das Pergament, » ist die Blasphemie des Lucero.«
    Ich ziehe hörbar die Luft ein. » Lucero lautet auch mein Name.«
    Er nickt. » Dieses Dokument sollte vor fast hundert Jahren zu einer offiziellen heiligen Schrift erklärt werden, aber das wurde vom Priesterrat, der zur Beurteilung berufen worden war, abgelehnt.«
    » Es wurde nicht nur abgelehnt«, unterbricht ihn Vater Alentín, » die Schrift wurde sogar verboten.«
    » Wartet. Vor hundert Jahren? Das bedeutet…«
    » Er war Euer Vorgänger«, bestätigt Alentín.
    Lucero. Der Träger vor mir. Obwohl er vor hundert Jahren gelebt hat, fühle ich mich ihm plötzlich mehr verbunden als jedem anderen Menschen. Meine Stimme zittert, als ich frage: » Und warum wurde dieses Dokument verboten?«
    » Teils wohl, weil es in seiner ganzen Form einfach fürchterlich war«, sagt Ximena. » Es wurde von einer ungelehrten Hand verfasst; im Original finden sich zahlreiche Fehler in Rechtschreibung und Grammatik. Der Rat ging davon aus, dass Gott niemals zugelassen hätte, dass seine heiligen Worte auf eine nicht perfekte Weise übermittelt worden wären.«
    Ich betrachte das Pergament. Die Schrift ist mit den Jahren verblasst, aber die Zeilen sind ordentlich und präzise und verraten eine sehr gute Handschrift. » Dann ist das hier eine Abschrift.«
    Nicandro nickt. » Von der Abschrift einer

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