Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
noch verborgene Qualitäten, was seinen Charakter betrifft.«
Er seufzt. » Ich habe gehört, dass er sich auf der Pekari-Jagd einmal für einen kurzen Speer anstelle einer Armbrust entschieden hat, damit das Schwein eine faire Chance bekäme.«
» Ein wahrhaft mitfühlender Mann!«
» Er wird Euch sicher nur zu gern davon berichten.«
Den Rest des Abends spiele ich die Rolle der Königin. Ich stürze noch ein Glas Wein hinunter, um die Bitterkeit in meiner Brust zu besänftigen, setze ein Lächeln auf und gebe mir alle Mühe, niemandem auf die Zehen zu treten. Ich tanze mit jedem, der mich darum bittet, und es mangelt mir nicht an Angeboten. Man sagt mir, ich sei strahlend schön, ich hätte ein wunderbares Lächeln und sei eine begabte Tänzerin. Man lobt mich für die Wahl meines Gewands, preist meine schnelle Genesung und mein politisches Geschick. Man bietet mir seine Dienste an, schlägt mir Handelsabkommen vor, bittet mich wahlweise um weitere Steuererhöhungen oder darum, die Abgaben wieder zu senken.
Später, als ich endlich wieder in meinen Gemächern bin, hilft mir Ximena aus meinem Kleid. » Wie war es?«, fragt sie. » Hast du dich gut amüsiert?«
In mir ist keine Kraft mehr für Banalitäten oder Nettigkeiten. Ich bin wie ausgebrannt. » Gut, ja«, gebe ich kurz angebunden zurück. » Es war alles gut.«
» Würde es dich aufheitern, wenn ich dir sagte, dass ein Brief von Zuhause gekommen ist?« Sie zieht einen kleinen Behälter aus ihrer Schürzentasche und hält ihn mir hin. » Er ist gerade aus dem Taubenschlag gebracht worden.«
Sie lässt das Röllchen in meine Hand fallen, und mein Herz macht einen kleinen Sprung, als ich sehe, dass auf dem Leder das Sonnenwappen der de Riquezas eingeprägt ist. Von Papa. Oder vielleicht auch von meiner Schwester. Mit beiden habe ich seit über einem Jahr nicht mehr gesprochen, wir haben lediglich kurze Nachrichten wie diese hier per Brieftaube ausgetauscht. Ich bin gespannt auf die Neuigkeiten von Zuhause.
Nein, verbessere ich mich. Joya d’Arena ist jetzt mein Zuhause. Wenn ich an meine Zeit in Orovalle denke, dann fühlt es sich an, als habe sie ein anderes Mädchen erlebt, eine andere Elisa.
Ich öffne den Behälter, ritze das Wachssiegel mit einem Fingernagel auf und entrolle das Pergament. Ich freue mich, die sorgfältige und schöne Handschrift meiner Schwester zu sehen.
Liebste Elisa,
ich habe von deinen schweren Verletzungen erfahren, und ich bin froh, dass du dich wieder gut erholst. Ich bete jeden Tag für dich.
Nun schreibe ich dir, weil Papas Kronrat verlangt, dass ich mich ernsthaft nach einem Ehemann umsehe. Man schlägt vor, dass ich jemanden aus den einflussreichsten Adelsgeschlechtern Joya d’Arenas wähle, um die Bande zwischen unseren Ländern weiter zu stärken. Ximena hat mir von Lord-Kommandant Hector von der Königlichen Leibgarde geschrieben und mich gebeten, ihn in Erwägung zu ziehen. Es gibt keine Meinung, die ich höher schätze als deine. Bitte sag mir: Was ist er für ein Mann? Würde ich gut daran tun, mit ihm in dieser Sache zu verhandeln? Bitte antworte mir so bald wie möglich.
Papa schickt seine innigsten Grüße.
Alodia.
Es fühlt sich an, als ob jemand auf meiner Brust steht.
» Elisa?«
Ich sehe von dem Pergament auf, das ich nun in meiner Faust zerknüllt habe. Ximena betrachtet mich aufmerksam, während die Wachleute besorgte Blicke tauschen.
Ich bringe es nicht über mich, jetzt die angemessenen Gemeinplätze von mir zu geben.
Du hast gewusst, dass so etwas kommen wird, Elisa. Natürlich wird er heiraten, und er wird eine gute Partie machen. Es ist nur recht und billig, dass er Prinzgemahl wird. Wäre es dir lieber, wenn Alodia jemanden heiratete, der nicht schon fast zur Familie gehört?
» Ich brauche Pergament«, flüstere ich. » Und Tinte und Federkiel.« Mir fällt nicht mehr ein, wo ich mein Schreibzeug gelassen habe.
Fernando beeilt sich, die erforderlichen Dinge aus meinem Sekretär zu holen. Ximena macht einen Schritt auf mich zu, aber ich weiche ins Atrium zurück und schüttele den Kopf. Ich kann es nicht einmal ertragen, sie auch nur anzublicken, denn ich frage mich, ob sie schon die ganze Zeit über gewusst hat, dass ich mich in ihn verliebe.
Als Fernando mit dem Schreibzeug erscheint, halte ich die Faust gegen die Lippen gedrückt, als ob ich so die Übelkeit niederringen könnte, die in meinem Bauch aufsteigt. Sieh zu, dass du dich wieder in den Griff bekommst. Ich atme tief durch.
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