Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Noch einmal. Ich zwinge meine Kiefermuskeln dazu, sich zu lockern. Dann nehme ich Tinte und Papier und lege sie auf den Frisiertisch.
Aber meine Finger zittern, und meine Buchstaben geraten ungleichmäßig und schief, als ich schreibe.
Liebste Alodia,
Hector ist der beste Mann, den ich kenne. Du könntest keinen besseren wählen.
Elisa
Ich rolle die kleine Notiz zusammen und schiebe sie in Alodias Behälter. Dann reiche ich ihn Fernando und weise ihn an, die Nachricht sofort abzusenden.
Als er die Gemächer verlässt, sagt Ximena: » Möchtest du dich kurz hinlegen? Oder hättest du gern ein Glas Wein?«
» Ich möchte allein sein, Ximena«, sage ich leise, und sie senkt den Kopf und zieht sich zurück.
Aber Alleinsein ist ein so nebulöser Zustand, wenn man Königin ist. In dem Wissen, dass meine Wächter stets in meiner Nähe sind, ziehe ich die Vorhänge meines Bettes zu und weine so leise, wie ich nur kann.
Es ist fast schon Morgen, als endlich eine Idee der Tränenflut Einhalt gebietet.
17
I ch springe aus dem Bett und lege mir hastig ein Gewand um die Schultern. Ximena ist schon wach, obwohl ihr langer grauer Zopf von der Nacht noch zerzaust ist. Sie hat sich nahe an den Balkon gesetzt, um das Morgenlicht für ihre Stickerei zu nutzen. Sie sieht zu mir auf. » Ist jetzt alles wieder gut?«
» Ich muss mich schnell ankleiden. Keine Zeit für ein Bad.«
» Wir müssen dein Gesicht waschen. Mit etwas Glück denken die Leute, du hattest zu viel getrunken, und sie kommen nicht auf den Gedanken, dass du die ganze Nacht geweint hast.«
Wenigstens fragt sie mich nicht nach dem Grund. » Gut. Ist Mara schon wach?«
» Sie ist erst sehr spät zurückgekommen.« Ximena rafft den Wandteppich in ihrem Schoß zusammen und legt ihn in einen Korb neben ihrem Stuhl.
» Lass sie noch ein paar Minuten schlafen, aber wir müssen sie bald wecken.«
» Willst du mir nun sagen…?«
» Gleich.« Ich möchte nicht einmal, dass meine Leibgarde etwas von dem hört, was nun geschehen wird. Der Erfolg meiner Idee hängt ganz und gar davon ab, dass niemand davon erfährt.
Ich schicke einen Wächter nach dem Haushofmeister, während Ximena meine Garderobe durchgeht. Sie hält ein Reitkleid hoch: Es hat einen geteilten Rock und ein eng anliegendes, schwarzes Oberteil ohne Ärmel. Zwar reite ich nie, aber ich trage es manchmal, wenn ich mich stark fühlen muss.
Zustimmend nicke ich. Ximena hat meine Stimmung gut erkannt.
Gerade habe ich mich fertig angezogen, und Ximena kämmt mir im Atrium das Haar, als der Haushofmeister erscheint. Sein Morgengewand sitzt noch etwas schief, und das Haar auf der linken Seite seines Kopfes ist vom Schlaf noch zu einer zerzausten Matte zusammengedrückt.
» Euer Majestät?«, fragt er außer Atem. » Der Wächter sagte, Ihr wünschtet mich dringend zu sprechen.«
» Danke, dass Ihr so schnell gekommen seid. Bitte sagt mir, ist Conde Tristán von Selvarica noch im Palast?« Ximenas Gesicht wirkt im Frisierspiegel völlig gleichmütig, aber ich spüre eine wachsende Anspannung in den Bürstenstrichen, mit denen sie mir das Haar kämmt.
» Er ließ mich gestern noch spät in der Nacht wissen, dass er abzureisen wünscht.« Missbilligend schüttelt der Haushofmeister den Kopf. » Wer reist denn mitten in der Erlösungswoche ab? Und dann noch am Abend des Fests! Es war höchst ungehörig, und ich…«
» Aber Tristán ist noch hier? Er ist noch nicht gefahren?« Ich merke, dass ich mit der rechten Hand den Stoff meines Rockes zerknülle. Bewusst lasse ich los und strecke meine Finger.
» Ich weiß es nicht.«
» Dann findet es heraus. Jetzt. Wenn er noch nicht aufgebrochen ist, dann sagt ihm, dass ich ihn sofort in meinen Gemächern zu sehen wünsche.«
» Jawohl, Euer Majestät.« Er vollführt eine schnelle Verbeugung und schlittert auf seinen Pantoffeln wieder hinaus.
Ximena legt mir die Hände auf die Schultern und sucht im Spiegel meinen Blick.
» Ich erkläre es dir gleich«, flüstere ich und hoffe mit ganzem Herzen, dass der Conde noch nicht die Zeit hatte, seine ganze Entourage reisefertig zu machen und nach unserer Begegnung in der letzten Nacht die Flucht anzutreten.
Glücklicherweise muss ich nicht lange warten.
Nachdem ihn ein Wächter ins Atrium geführt hat, fällt Tristán auf ein Knie, senkt den Kopf und meidet meinen Blick.
» Erhebt Euch.«
Als er das tut, bemerke ich seine Reisekleidung: Lederhosen, ein lockeres Hemd, ein Gürtel mit Taschen für nützliches
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