Die Feuertaufe
Lieutenant Mahalia Rosenberg, der Bordingenieur der Hawkwing , war eine dunkelhaarige Frau mit ebenso dunklen Augen und einer bemerkenswert ausgeprägten Nase, die in ihrem schmalen, ernsten Gesicht immens auffiel. Sie war beinahe im gleichen Alter wie Honor, und sie stammte ebenfalls von Sphinx. Tatsächlich war sie sogar aus Yawata Crossing, einer Stadt, die nicht allzu weit von Honors Geburtsort in den Copper Wall Mountains entfernt lag. Allerdings gehörte sie zu der Minderheit der Bewohner jener Stadt, die nicht einmal entfernt mit dem Harrington-Clan verwandt war.
Eigentlich hatte Honor eine recht hohe Meinung von Lieutenant Rosenberg. Sie machte ihre Arbeit anständig, sie war fleißig und intelligent. Zudem spielte sie ausgezeichnet Schach und war alles in allem sehr umgänglich. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund kam sie mit Aloysius O’Neal einfach nicht zurecht. Obwohl der Sailing Master an sich stets sehr entspannt wirkte, schienen er und Rosenberg immer unmittelbar davorzustehen, sich einen handfesten Streit zu liefern. Die beiden waren wirklich wie Feuer und Wasser – oder eher wie Feuerstein und Stahl, wenn man bedachte, wie leicht dort Funken sprühen konnten.
Noch einmal schaute Honor O’Neal an, diesmal aber schon deutlich weniger skeptisch. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Nairobi.
»Zusätzlich zu den Leuten, die Al sich aussucht, damit wir das andere Schiff wieder flottbekommen, werden wir mindestens ein paar Trupps von Everetts Marines an Bord benötigen, einfach zur Sicherheit, Taylor. Das reißt natürlich ein paar unschöne Löcher in Ihren Wachplan.«
Dieses Mal fiel das Nicken des Ersten Offiziers etwas weniger enthusiastisch aus. Das Royal Manticoran Marinecorps war größer als die entsprechenden Einheiten der meisten anderen Sternnationen, aber das lag zum Teil auch an deren Einsatzgebieten: Den manticoranischen Marines kam eben nicht nur die Aufgabe zu, als Bodentruppen der Navy zu fungieren und Entermanöver zu übernehmen. Sie bemannten auch Geschütze, dienten als Reparaturtrupps und übernahmen an Bord anderer Schiffe die Raumnotrettung. Zusammen mit den Männern und Frauen von der Flotte, die O’Neal aussuchen würde, sollte der Lieutenant auch noch einige der Marines auf das andere Schiff mitnehmen. Das wiederum würde Nairobi mehr als fünfzehn Prozent seiner gesamten Einheit kosten.
»Überlegen Sie sich schon einmal, welche Trupps wir nehmen können. Schließlich soll die Organisation an Bord unseres eigenen Schiffes möglichst wenig in Mitleidenschaft gezogen werden«, ermahnte Honor ihn. »Und ich denke, entweder Everett oder KK sollten dort drüben bleiben und Al zur Hand gehen. Eigentlich« – nun funkelten ihre Augen – »wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn gleich beide drübenblieben. Dann könnte KK auch gleich noch Everett im Auge behalten. Jetzt müssen wir nur noch einen Weg finden, das möglichst taktvoll hinzubekommen.«
»Jawohl, Ma’am«, erwiderte Nairobi, und auch wenn ihm vielleicht schon organisatorische Probleme durch den Kopf gingen, funkelten auch seine Augen nun … und seine Stimme klang deutlich weniger bedrückt, als Honor befürchtet hatte.
»Während Sie beide sich darum kümmern, lasse ich Aniella« – Honor blickte zu Lieutenant Aniella Matsakis hinüber, der Astrogatorin der Hawkwing – »den Kurs nach Saginaw berechnen.«
Fast gleichzeitig blickten Nairobi und O’Neal sie an. Dem Eins-O gelang es besser, seine Überraschung zu verbergen (was vielleicht daran lag, dass O’Neal sich nicht sonderlich Mühe zu geben schien), doch ganz offenkundig waren sie beide nicht hellauf begeistert von dieser Entscheidung. Und das war auch verständlich; Honor selbst war es auch nicht. Bedauerlicherweise ließen die Umstände ihr kaum eine andere Wahl.
Soweit es Honor betraf, war die Silesianische Konföderation eher ein kontinuierliches Durcheinander, das mehr und mehr zu echter Anarchie verkam, als etwas, das die Bezeichnung »Sternnation« verdiente. Die dortige Oberschicht hielt Politik und Wirtschaft gleichermaßen im Würgegriff, und sie war sogar noch korrupter als die schlimmsten Oligarchien, die man im Rand finden konnte – jenem riesigen, ausgedehnten Mischmasch unabhängiger Sonnensysteme und winziger Sternnationen jenseits des Territoriums der Solaren Liga. Wenn man es genau nahm, gehörte auch das Sternenkönigreich von Manticore zum Rand, auch wenn der Manticoranische Wurmlochknoten dem
Weitere Kostenlose Bücher