Die Feuertaufe
bitte darum. Ich werde so rasch wie möglich ein Beiboot schicken, um die Opfer der Piraten abzuholen. Bitte lassen Sie sie aus ihren Zellen holen!«
»Aye, aye, Ma’am.«
»Und davon abgesehen warten Sie jetzt bitte einfach ab und halten durch, Everett. Mit dem Boot, das die Opfer abholt, kommt dann auch die Verstärkung.« Kurz hielt Honor inne, dann lächelte sie milde. »Sie haben da drüben gute Arbeit geleistet, Lieutenant.«
»Ich danke Ihnen, Ma’am.« Die Freude in Janaceks Stimme war unüberhörbar.
»Harrington, Ende«, sagte sie und wandte sich dann den beiden Offizieren zu, die ihr Gespräch mit Janacek mitangehört hatten.
Lieutenant Commander Taylor Nairobi, Honors Erster Offizier, war etwa vier T-Jahre älter als sie. Zugleich war er sieben Zentimeter kleiner, mit braunem Haar, dunklen Augen und auffallend nichtssagenden Gesichtszügen. In vielerlei Hinsicht erinnerte er Honor an einen unscheinbaren kleinen Buchhalter, der nicht allzu oft das Tageslicht sah – eine graue Maus. Er schien genau die Art Sonderling zu sein, die sich eigentlich nur mit den uralten Begriffen »Nerd« oder »Geek« beschreiben ließ. Andererseits blickte er bei jedem Gespräch anderen stets fest ins Gesicht. Und wenn es erforderlich wurde, konnte der Blick aus diesen braunen Augen auch sehr eisig ausfallen. Niemand, der Commander Nairobi jemals erlebt hatte, wenn die Hawkwing klar zum Gefecht machte – oder der das Pech hatte, vor den Eins-O zitiert worden zu sein –, wäre auch nur im Traum auf die Idee gekommen, ihn mit dem Begriff »graue Maus« zu beschreiben. Es sei denn, besagte graue Maus verfügte über beachtlich lange Reißzähne.
Lieutenant Aloysius O’Neal hingegen war das älteste Besatzungsmitglied der Hawkwing , beinahe dreißig T-Jahre älter als Honor. Er gehörte sogar noch zu den Prolong-Empfängern erster Generation, und sein Haar war ebenso wie sein Schnurrbart von silbernen Strähnen durchzogen. Als Honor vor beinahe drei T-Jahren das Kommando über diesen Zerstörer übernahm, hatte sie befürchtet, dieser geradezu groteske Altersunterschied könne es ihr schwierig machen, ihm Anweisungen zu erteilen – oder, was noch schlimmer gewesen wäre, er könne Schwierigkeiten damit haben, von ihr Befehle entgegenzunehmen. Doch diese Sorge hatte sich rasch gelegt: O’Neal hatte eine äußerst beruhigende Art. Er trat stets sehr zurückhaltend auf, und der Altersunterschied schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Tatsächlich hatte sich Honor schon manches Mal gefragt, ob wohl jene beherrschte, tröstliche Bescheidenheit, die er stets an den Tag legte, die Folge davon war, dass er schon vor langer Zeit akzeptiert hatte, nie genug das Interesse seiner Vorgesetzten erregt zu haben, um für einen höheren Posten in Erwägung gezogen zu werden. Genauso gut war es aber auch möglich, dass genau diese Zurückhaltung der Grund dafür war, dass sich niemand genug für ihn interessiert hatte.
Eines jedoch wusste Honor mit Sicherheit: Wäre O’Neal jünger gewesen – hätte er seine Karriere zeitgleich mit Honor begonnen –, dann wäre er niemals auf dem Posten eines einfachen Lieutenant hängen geblieben. Honor war der Meinung, der größte Fehler der Royal Manticoran Navy sei es, dass sie dank der Tradition der Schirmherrschaft in einem gewissen Maße dazu neigte, Seilschaften zu bilden – Honors bevorzugter Ausdruck dafür war »Filzokratie«. Subalternoffiziere mit einflussreichen Schirmherren stiegen rasch auf, und solange es eben nur eine begrenzte Anzahl Planstellen gab, bedeutete das natürlich, dass man bei Subalternoffizieren ohne entsprechende Schirmherren zugunsten der anderen von einer Beförderung absah. Dass die Flotte des Sternenkönigreichs von Manticore immer recht klein gewesen war – vor allem für eine Sternnation, die über eine derart ausgedehnte Handelsflotte verfügte –, hatte das Problem natürlich noch verschärft. Und als vor siebzig T-Jahren im Sternenkönigreich die erste Generation der Therapeutika zur Lebensverlängerung verfügbar war, wurde das Problem noch deutlicher, schließlich dauerten Karrieren bei der Navy nun ungleich länger als früher.
Doch in jüngster Zeit hatte sich einiges geändert. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch den Imperialismus der Volksrepublik Haven hatte König Roger die Flotte immens vergrößern lassen. Unter Königin Elizabeth beschleunigte sich dies noch. Damit standen mehr Planstellen zur Verfügung als je zuvor. Eine
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