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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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freut mich, daß Ihnen endlich ein Licht aufgegangen ist.“
    Er ahnte nicht, warum die Klasse auf
seinen Ausspruch in unterdrücktes Glucksen ausbrach. Denn er hatte sich längst
abgewöhnt, den Heiterkeitsausbrüchen seiner Jungens
nachzuspüren. Aber er war immer auf der Hut.
    Mit Hilfe des Lichtschreibers
steigerten sich die Leistungen der Klasse ins Aberwitzige. Wenigstens solange
die Sonne schien. War der Himmel bewölkt, so war es mit der Weisheit vorbei.
Und der Zusammenhang zwischen Wetter und Leistungen blieb dem klugen
Mathematiker nicht verborgen. Er erklärte ihn auf seine Art: „Sonne ist die
Urkraft jeglichen Lebens. Auch die Schüler werden vom Sonnenschein günstig beeinflußt.
Wir werden die Klassenarbeiten nur noch bei gutem Wetter schreiben.“
    Der Erfolg bestätigte seine Hypothese.
    Mit der Erfindung des Vorsagespiegels
war Elans Pfeiffer zum Diktator der Klasse geworden. In seiner Hand schlummerten Gut, Mangelhaft, Genügend oder Ungenügend eines
jeglichen Mitschülers im wörtlichsten Sinne. Der lange Rosen samt seiner hübschen Schwester war entthront. Pfeiffers Freundschaft hatte mehr
Gewicht.
    Es war klar, daß die Herrlichkeit über
kurz oder lang ihr Ende finden mußte. Und das kam so:
    Aus Gründen, die an späterer Stelle
näher erläutert werden sollen, ließ Hans Pfeiffers Lerneifer nach einiger Zeit
nach. Er war überhaupt kein Mensch, der sich lange Zeit auf eine Sache
konzentrieren konnte. Eines Tages war er wieder schlecht vorbereitet. Oder er
paßte nicht richtig auf. Kurzum, sein Sonnenspiegel schrieb den blanken Unsinn
an die Tafel. Und Joachim Schrader, der gerade an der Reihe war, wurde durch
die falschen Vorspiegelungen verwirrt.
    Als Schrader sich völlig festgefahren hatte,
wurde er von Dr. Brett unterbrochen. Schlicht und einfach sagte er, ohne eine
Miene zu verziehen: „Pfeiffer, passen Sie besser auf, sonst müssen wir die
Vorhänge zuziehen.“
    Hans Pfeiffer wurde rot bis hinter die
Ohren, steckte zerknirscht seinen Spiegel ein und setzte sich in der nächsten
Stunde vom Fenster fort, um nicht mehr in Versuchung zu fallen. Er setzte sich
neben den kleinen Luck.
    Dr. Brett lächelte unmerklich. Man
hatte einander verstanden.
     
    *
     
    Übrigens merkte Hans Pfeiffer
allmählich, daß auch bei Professor Crey ernstlich gearbeitet wurde. Keineswegs
wurden sämtliche Stunden durch pädagogische Erörterungen und kriminalistische
Untersuchungen ausgefüllt. Es mag allerdings zugegeben werden, daß der Ernst
bisweilen sich etwas einseitig auf seiten des Professors befand.
    Die Kenntnisse in der deutschen
Literatur pflegte er ungefähr so zu prüfen: „In welchem Stock, in welchem
Aufzog und in welcher Szäne steht, und wer spricht zu wäm die Worte: ,Ich kenne meine Pappenheimer’?“
    Daß die Aufsatzthemen größtenteils mit
dem klassischen „Inwiefern“ anhuben, hatte Hans nicht anders erwartet. Manchmal
wurde die Inwiefernung sogar verdoppelt: „Inwiefern gleichen sich Wilhelm Teil
und Götz von Berlichingen, und inwiefern bestähen wäsentliche Onterschiede
zwischen ehnen?“
    Hans fand die Antwort:
    „Den Teil darf man zitieren, den Götz
aber nicht.“
    So erweiterte der Schriftsteller
Pfeiffer seine Kenntnisse in der deutschen Literatur in ungeahnter Weise und
hoffte inständig, daß es seiner künftigen Laufbahn zustatten komme.
    Crey dagegen war nicht mit ihm
zufrieden. „Pfeiffer, Sä send en allen Fächern genügend oder got, nur em
Deutschen stähen Sie mangelhaft. Sä haben einen unmöglichen Stil. Was wollen
Sie eigentlich mal werden?“
    „Das weiß ich noch nicht.“
    „Sochen Sä sich einen Berof, bei dem Sä
wenig zu schreiben haben. Am besten werden Sä Zahnarzt.“
    Hans gelobte es feierlich.
     
    *
     
    Auch im Singen war Hans nicht auf der
Höhe.
    Singen ist der Ausdruck seelischen
Empfindens.
    Singen gab Fridolin. Das war nicht sein
Spitzname, sondern er hieß wirklich so und brauchte daher keinen Spitznamen.
    Fridolin fragte nicht danach, ob Singen
der Ausdruck seelischen Empfindens ist. Bei ihm wurde gesungen, weil es im
Stundenplan steht.
    Das Singen war entsprechend.
    Die Schuld lag nicht an Fridolin. Das
spärliche Männlein mit dem zwirndünnen Schnurrbärtchen und dem ebenso dünnen
Stimmchen gab sich die größte Mühe, aus der trägen Masse seiner schläfrigen
Schüler so etwas wie „Sangeslust schwellt die Brust“ herauszuholen. Aber je
wilder er mit übersteigendem Temperament und gigantischen Armbewegungen
dirigierte, desto

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