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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Hausarbeit. Sie fand auf Hans Pfeiffers Bude statt, weil
man dort am ungestraftesten Radau machen und unterst zu oberst kegeln konnte.
Die gute Frau Windscheid hatte für alles die Generalentschuldigung: „Der meine
hat auch —.“
    Hans Pfeiffers Bude — um einmal den
unmoralischen Ausdruck zu brauchen — hatte an Wohnlichkeit sehr zugenommen.
Frau Windscheid hatte ihre übrigen Zimmer, ja sogar ihren Salon geplündert.
Hans hatte einen prächtigen Sekretär aus Birnbaumholz mit siebenunddreißig
Schubfächern und einem Geheimfach bekommen, dessen Mechanismus ihm Frau
Windscheid auseinandersetzte, dazu einen großmächtigen alten
Biedermeier-Lehnstuhl mit grün-gold gestreiftem Bezug. Ja, sie hatte sogar ihre
Vitrine mit den unendlichen Nippsachen ausgeräumt und Hans als Bücherschrank
zur Verfügung gestellt. Sie wollte noch viel mehr tun; Hans mußte sich mit
Händen und Füßen dagegen wehren. Er wollte kein Museum.
    Die gemeinschaftliche Hausarbeit
nachmittags um vier Uhr begann jedesmal mit einer gigantischen Kanne duftenden
Malzkaffees, den die wackere Frau Windscheid spendete. Malzkaffee war nämlich
ihre Spezialität. Auch glaubte sie, dadurch dem Genuß alkoholischer Getränke
vorzubeugen; denn ist erst eine Menge Kaffee im Magen, kalkulierte sie, bleibt
kein Platz für Bier.
    Alsdann wurde gesammelt und beim Bäcker
Hoffmann quadratmeterweise Streuselkuchen geholt. Hans Pfeiffer hätte ihn gern
gestiftet. Aber Frau Windscheid duldete das nicht und hielt überhaupt ein
wachsam-mütterliches Auge auf die Finanzgebarung ihres Schützlings.
    Es soll nicht verschwiegen werden, daß
der Kaffee nebst Zubehör meist in ungehöriger Weise in die Länge gezogen wurde.
Man wußte, sobald er zu Ende ist, kommt die Arbeit. Und vor der Arbeit hatte
man ein leichtes Gruseln. Aber schließlich, wenn es auf halb sechs ging, war
sie nicht länger zu vermeiden.
    Die Arbeitsweise wurde den
verschiedenen Stoffgebieten geschickt angepaßt. Bei Übersetzungen und
mathematischen Aufgaben suchte man zuvörderst die einwandfreie richtige Lösung.
Gemeinschaftlich.
    „Gemeinschaftlich“ bedeutet, daß der
kleine Luck als Jüngster laut rechnete oder übersetzte und die anderen mehr
oder weniger Obacht gaben. Meist allerdings weniger. Wenn es falsch ist, geht
der Kopf noch lange nicht ab, dachte Rudi Knebel, langte sich unauffällig die
Gitarre und versuchte, ein von Hans Pfeiffer gedichtetes Wanderliedchen zu
vertonen. Er sang nur mit halber Stimme, um nicht zu stören. Ernst Husemann
dachte: Viele Köche verderben den Brei, und schlief kurz entschlossen in dem
Großvatersessel ein. Hans Pfeiffer tat gar nichts, nicht einmal schlafen, und
gestattete seinen Gedanken, Karussell zu fahren; ein Gedicht keimt in ihm, er
wurde aber immer wieder durch das laute Rechnen vom kleinen Luck gestört.
    Immerhin erreichte man auf diese Weise,
daß der kleine Luck nicht unterbrochen wurde und unbehelligt die richtige
Lösung finden konnte. Man lernte beizeiten Wesen und Wert der Kollektivarbeit
kennen und schätzen.
    Nun durften jedoch die vier Kameraden
nicht die gleiche makellose Lösung vorweisen. Der zweite und schwierige Teil
der Arbeit bestand also darin, daß man eine Reihe nebensächlicher Fehler
ausheckte, die den einzelnen Arbeiten ein individuelles Gepräge gaben und
andererseits ein auffälliges „Sehr gut“ verhinderten. Diese Fehler wurden auf
das sorgfältigste verteilt. Man raufte sich, man stritt sich darum. Nur der
kleine Luck, als ohnehin Benachteiligter, durfte sich hier und da mit
fehlerlosen Arbeiten begnügen.
    Bei Aufsätzen war diese Methode nicht
anzuwenden. Da mußten vier verschiedene Fassungen hergestellt werden, die
hernach unter die Mitwirkenden verlost wurden. Bis Husemann eines Tages auf den
genialen Einfall kam, sie untereinander meistbietend zu versteigern. Wer am
meisten bot, bekam den besten Aufsatz. Daß hierbei die Kapitalkräftigen einen
Vorsprung hatten, war leider nicht zu vermeiden. Vielleicht eine gute Vorübung
fürs Leben. Der Versteigerungserlös diente zur Fundierung einer gemeinsamen
Vergnügungskasse, die rasch anschwoll und der kleinen Gesellschaft eine
ansehnliche finanzielle Unterlage für ihre Unternehmungen gab.
    Aus dieser Kasse wurde auch das Bier
bestritten, das Frau Windscheid des öfteren zum Abschluß der Sitzung holen
mußte. Sie protestierte zwar jedesmal aufs neue und schilderte die Wirkung des
Alkohols sowohl im allgemeinen als auch auf die Kinder im besonderen in
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