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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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es ihre Seligkeit. Sie
stemmen sich in den Boden, daß der Kies zum Himmel spritzt. Ihre Röcke berühren
fast den Boden. Das Seil spannt sich, strammt sich wie eine Violinsaite — und
reißt mitten durch.
    Wenigstens beinahe.
    Was war geschehen?
    Turnlehrer Schmidt wußte es nicht.
    Er konnte es auch nicht wissen. Er
hatte den Rücken dahin gewendet, wo Eva, die blonde Tochter des Direktors, über
den Schulhof geschritten war.
    Eva.
     
    *
     
    Am Babenberger Gymnasium wurde wenig
Gewicht auf Chemie gelegt. Die alten Griechen, anerkannt humanistisch gebildete
Leute, waren gänzlich ohne Chemie ausgekommen. Und überdies war Chemie mit
Gestank verknüpft.
    Dennoch erfüllte Schnauz seine Pflicht.
Von Rechts wegen hatte er nicht nötig, seinen selbstfabrizierten Heidelbeerwein
mitzubringen und seine Schüler davon kosten zu lassen. Aber er wollte ihnen
zeigen, daß Chemie nicht ohne praktische Bedeutung ist. Auch erhoffte er einen
Zuwachs an Autorität, wenn sich die Schüler davon überzeugten, daß er nicht nur
prächtig zu unterrichten, sondern auch einen Heidelbeerwein herzustellen
imstande sei — einen Heidelbeerwein, der von einem unverschnittenen Burgunder
schwer zu unterscheiden ist. Wenigstens nach Ansicht des Herrn Professor Crey.
    Inzwischen war der große Augenblick
gekommen. Die Primaner marschierten im Gänsemarsch am Katheder vorbei und
empfingen ihren Probeschluck. Dann gingen sie in die Bänke zurück.
    Aber eine gewisse Unruhe blieb, ein
merkwürdiges Raunen und Tuscheln, weit über das übliche Maß hinaus, und nichts
Gutes verheißend.
    Auch der Schnauz wurde unruhig.
    „Pfeiffer, Sie gäben nicht acht.
Wederholen Sie: Was verstäht man onter alkoholischer Gärung?“
    Pfeiffer erhob sich. Jetzt mußte es
losgehen.
    „Also die alkoholische Gärung — oder
vielmehr die Gärung des Alkohols — sie erzeugt Alkohol — das heißt also, der
Alkohol erzeugt Gärung — sogenannte alkoholische Gärung —“
    „Pfeiffer, Sie faseln.“
    „Der gärende Alkohol fängt an zu faseln
— fängt an in faselnde Gärung überzugehen — und so entsteht Heidelbeerfusel —
Heidelbeerfasel —“
    „Was ist los met Ehnen?“
    „Nichts, Herr Professor. Und wenn dann
der Heidelbeerfusel beziehungsweise Alkohol — oder vielmehr der Heidelbeerkohl
— ich meine: der gärende Altheidelbeerkohl —“
    „Est Ehnen nicht wohl? — Oh, dann
Sätzen Sie sech. Hosemann, fahren Sie fort.“
    Und Hosemann mit todernstem Gesicht:
    „Man kakakann den Wein mit A-a — - - A-a
ich kokomme nicht auf das Wort.“
    „Seit wann stottern Sä?“
    „Ich ststotottere doch gagarnicht.
Aaaber mir dreht sich a—a—alles vor den Au—au—augen!“
    „Oh, Hosemann, gähen Sä doch mal an die
fresche Loft.“
    Luck hat den Finger gehoben.
    „Ich verstehe das gar nicht. Lock,
wollen Sä mal fortfahren?“
    Luck steht auf, macht den Mund auf und
zu, würgt und bringt keine Silbe über die Lippen. „Lock, ist Ehnen denn auch
öbel?“
    „Sehr - -“
    Professor Crey ist fassungslos. Er
betupft sich mit seinem großen Taschentuch noch häufiger als sonst die Stirn
und wird zusehends bleicher.
    „Est sonst noch wem öbel?“
    Der ganzen Klasse ist öbel. Man sieht
es ihnen an. Die einen können nicht mehr gerade stehen, die andern lallen oder
stöhnen oder grinsen blöde in die Luft. Die Dilettanten begnügen sich damit,
den Kopf vornüber aufs Pult fallen zu lassen.
    Rudi Knebel aber liefert ein
Meisterstück. Er torkelt auf den Professor zu, fällt ihm um den Hals und johlt:
„Der Wein — hupp — ist famos. Mein liebes Schnäuzchen — hupp — den saufen wir
dir aus!“
    Jetzt ist die Klasse nicht mehr zu
halten. Ein fiinfzehnstimmiges Plärren und Johlen, Grunzen und Brüllen setzt
ein. Und fünfzehn Jungens torkeln und kugeln übereinander und durcheinander,
daß man nicht mehr weiß, was oben und unten ist.
    Dem Professor läuft es eiskalt über den
Rücken. Was war mit dem Heidelbeerwein? Sollte sich infolge wilder Gärung
vielleicht Methylalkohol gebildet haben? Oder ein sonstiges Gift? Drohende
Formeln kreisen in seinem Hirn, überschlagen sich und zerfallen. In diesen
wenigen Minuten büßt er für die spärlichen Sünden seines
sechsundvierzigjährigen Lebens.
    Hans Pfeiffer konnte es kaum noch mit
ansehen und schloß die Augen. Aber da hat sich Professor Crey mit seiner
letzten Energie zusammengerappelt und trifft die erforderlichen Anordnungen.
Die ganze Klasse soll sich sofort an die frische Luft begeben, so

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